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Jung sterben oder noch im Vorruhestandsalter auf der Bühne stehen? Viele Rockmusiker, und nicht die schlechtesten, sind früh dahingeschieden. Von Jimi Hendrix und Jim Morrison über Sid Vicious, Bon Scott und Ian Curtis bis zu Kurt Cobain reicht die Liste derjenigen, die in der Erinnerung auch deshalb weiterleben, weil sie vorzeitig abgetreten sind. Bei anderen wiederum gründen sich Ruhm und Kultstatus nicht zuletzt darauf, daß sie dem Höllenwart ein Schnippchen geschlagen haben und selbst im fortgeschrittenen Alter noch den Rock’n’Roll leben. Keith Richards etwa gehört dazu. Oder nehmen wir zum Beispiel Lemmy Kilmister, den Chef der britischen Rockband Motörhead. Was hat der Mann nicht alles überlebt: Drogen, Alkohol, Frauen, Journalistenfragen, noch mehr Drogen … Dazu, nicht weniger gefährlich: Ignoranz, üble Nachreden, Nazi-Vorwürfe. Mittlerweile ist der bekennende Whiskytrinker und NS-Devotionaliensammler sechzig und immer noch putzmunter. Daß er nicht unbedingt danach aussieht, darf nicht irritieren; das gleiche Gesicht hatte er schon mit dreißig. Die Friedhofsgärtner, soviel scheint sicher, sind jedenfalls noch nicht hinter ihm her. Was für einen Kreissparkassenangestellten nicht der Rede wert wäre, ist für den Sänger und Bassisten einer Band wie Motörhead schon für sich genommen eine reife Leistung. Sein Leben sei nicht gerade ein Musterbeispiel an Brillanz und Beständigkeit, bekannte er einmal in einem seiner zahlreichen Interviews. Aber er habe nie vorgegeben, etwas zu sein, „das ich nicht bin. Alles an mir ist echt, und ich habe schon sehr viel Scheiße erlebt und überlebt“, weiß Kilmister um sein Verdienst. Seit vierzig Jahren schrubbt der am 24. Dezember 1945 in Stoke-on-Trent, Staffordshire, geborene Ian Fraiser Kilmister, den alle nur Lemmy nennen, seine Baßgitarre. Die Helden seiner Kindheit und Jugend heißen Elvis, Little Richard, Buddy Holly, er sieht die Beatles im Cavern-Club, später arbeitet er als Roadie bei Jimi Hendrix. 1971 steigt er bei den Space-Rockern Hawkind ein, die ihn vier Jahre später wegen seiner Drogenprobleme feuern. 1975 gründet er Motörhead. Nach einigen Achtungserfolgen schafft die gern als „lauteste, schnellste und untalentierteste Band der Welt“ apostrophierte Gruppe ihren endgültigen Durchbruch mit dem 1980er-Album „Ace of Spades“. Seither sind Motörhead und Lemmy Kilmister eine weithin anerkannte, beinahe schon massenkompatible und von nicht wenigen Anhängern sogar regelrecht vergötterte Größe im Rock’n’Roll-Zirkus. Selbst das Hochfeuilleton kommt von Zeit zu Zeit nicht umhin, der Band Tribut zu zollen. Vergangenen Freitag nun ist das neue Album von Motörhead erschienen, und siehe da, Überraschung!, „Kiss of Death“ (Steamhammer/SPV) klingt, wie eine klassische Motörhead-Platte seit eh und je klingen muß, rauh, aggressiv, dreckig. Lemmy Kilmister knurrt, als gäbe es kein Morgen mehr, die Gitarrenriffs von Phil Campbell peitschen, und Mikkey Dee bearbeitet seine Drums punktgenau. Es gibt rasante Uptempo-Nackenbrecher wie den Eröffnungssong „Sucker“ und den Rausschmeißer „Going Down“, kompakte Midtempo-Bluesrocker („Under The Gun“) sowie flotte Rock’n’Roll-Nummern („One Night Stand“, „Christine“), garniert mit dem typischen Motörhead-Chorus. Alle Stücke turmhoch überragend aber kommt die Halbballade „God Was Never On Your Side“ daher, die – gesanglich wie textlich – allein schon das ganze Album wert ist. Zugreifen, unbedingt! Konzerte: Ende des Jahres spielen Motörhead in Düsseldorf (29.11.), Magdeburg (01.12.), Leipzig (02.12.), Bremerhaven (03.12.), Berlin (05.12.), Lingen (08.12.), Trier (09.12.), Stuttgart (11.12.) und München (12.12.). Weitere Infos im Internet unter www.imotorhead.com Lemmy Kilmister, Kopf der Rockband Motörhead

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