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Horrorszenarien ohne Quellenkritik

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Im Januar 1951 gab Präsident Eisenhower eine allgemeine Ehrenerklärung für die Soldaten der Waffen-SS ab. Er nahm damit das Urteil des Nürnberger Tribunals der Siegermächte zurück, in dem Teile der Waffen-SS als verbrecherisch eingestuft wurden. Auch wenn Eisenhowers Engagement von strategischen Gedanken angeregt wurde, ein gutes Klima für eine deutsche Wiederbewaffnung zu schaffen, sind solche Einsichten wie die des amerikanischen Präsidenten derzeit nicht in Mode. Dem aktuellen Trend folgend, tritt Martin Cüppers in seiner Dissertation mit dem Anspruch auf, „die Waffen-SS“ als ganzes mit der Ausmordung des osteuropäischen Judentums in Verbindung bringen zu können, als deren „Wegbereiter“. Der Autor kümmert sich dabei nur am Rande um die Fronteinheiten der Waffen-SS. Einige despektierliche Bemerkungen über deren militärische Qualität sind ihm zunächst genug. Erst in einem Abschlußkapitel versucht er dann, sie in möglichst enge Verbindung mit Verbrechen zu bringen. Zuvor stehen jene Kavalleriebrigaden in seinem Blickfeld, die kurz nach Beginn des Rußland-Feldzugs hinter der Front eingesetzt wurden, um dort den durch Partisanen und Sabotage erwarteten irregulären Widerstand zu brechen. Von diesen Einheiten wird behauptet, sie hätten dabei unter militärischen Vorwänden große Massaker an der Zivilbevölkerung begangen und seien 1941 nach Angriffsbeginn sofort zur Ermordung der gesamten jüdischen Bevölkerung übergegangen. Zu diesen Vorgängen existieren sowohl handfeste Indizien und Beweise als auch Gerüchte und manch dubiose Zeugenaussagen. Dazu gesellen sich Dokumente, die bis 1989 im realsozialistischen Block unzugänglich aufbewahrt wurden und ursprünglich zu politischen Zwecken verwendet werden sollten. Dies alles voneinander zu trennen, scheint für manche Historiker mit zunehmendem Zeitabstand ein immer größeres Problem zu werden. Jeder, der die mit viel Liebe fürs Detail und mehrere Dutzend Druckseiten voll „Zeugenaussagen“ und „Gutachten“ umfassende sowjetische Totalfälschung über das angebliche deutsche Massaker an polnischen Offizieren in Katyn kennt, sollte mit Quellen solchen Inhalts und dieser Herkunft vorsichtig umgehen. Das gilt insbesondere für jeden, der aus einzelnen Details Stimmungsbilder ableitet, wie es der Autor tut. Die von Cüppers wegen ihres Quellenwerts hochgelobten Materialien des ehemaligen SS-Kriegsarchivs verbrachten ein Jahr in den Händen einer unbekannten Militäreinheit des tschechischen Abwehrdienstes, ehe sie 1946 den Weg ins Prager Militärhistorische Archiv fanden. Danach wurden ihre Existenz und ihr Umfang gegenüber dem Westen jahrzehntelang verleugnet. Fragen nach dem Grad der Zuverlässigkeit dieser Papiere liegen auf der Hand, ohne vom Autor gestellt zu werden. Auch das im Bundesarchiv gelagerte Tagebuch des Höheren SS- und Polizeiführers und Nürnberger Kronzeugen Erich von dem Bach-Zelewski zitiert Cüppers ausführlich. Er vermerkt Unstimmigkeiten, ohne offenbar zu wissen, daß Bach-Zelewski es selbst nach dem Krieg zum Zweck der rechtfertigenden Selbstdarstellung neu geschrieben und für den Zeitraum 1941 und 1942 unkontrollierbar verfälscht hat. So überrascht es nicht, wenn vom Autor auch die Ergebnisse der sowjetischen Untersuchungskommission ohne weiteres übernommen werden, die für die Katyn-Fälschung verantwortlich war. Als Mitarbeiter der Ludwigsburger Forschungsstelle für NS-Verbrechen verwendet Cüppers naheliegenderweise verschiedenste Gerichtsprotokolle aus der Nachkriegszeit. Hier beklagt er, daß diese Verfahren „trotz teilweise erdrückender Beweislast gegen einzelne Beschuldigte in der überwiegenden Mehrzahl eingestellt wurden.“ Anders gesagt, hielt eine Vielzahl der vom Autor wegen Völkermords erhobenen Vorwürfe also einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. So mögen diese Prozeßverläufe damit zu tun haben, daß Richter im Vergleich zu Historikern weniger geneigt sind, jede Zeugenaussage für bare Münze zu nehmen und zudem die Verantwortlichkeiten mit größerer Präzision feststellen müssen. Cüppers folgt dagegen gerne der Methode, im dramatisierenden Stil beim Leser Aufregung zu schaffen. Vor einiger Zeit trat der Autor mit der Forderung nach einem „antideutschen Konsens kommunistischer Politik“ auf. Derlei exzentrische Ansichten begünstigen eine nüchterne Darstellung offenbar nicht. Freundliche Stimmungsbilder im Rahmen von „sonnenbeschienenen Balkonen“ werden jäh mit Völkermordschilderungen kontrastiert. SS-Angehörige rennen „hastig“ durch Büros, man geht zum Essen und dann zum Schießen. Ein Hinweis an die Truppe für den bevorstehenden Einsatz gegen Partisanen, Ziel sei dabei nicht der Raumgewinn, sondern der Gegner und der müsse nach dem Einsatz „tot oder gefangen sein“, ist Cüppers bereits ein Greuel. So bleibt ein Buch, das schwer zu ertragen ist, weil es eine Mischung aus Fleißarbeit, ungenügender Quellenkritik und schließlich polemisch vorgetragenen Unterstellungen mit erkennbar politischem Hintergrund darstellt. Am Ende steht ein Gemisch aus Tatsachen und Gerüchten, das dann der ganzen Waffen-SS übergegossen wird. In der zweiten Hälfte des Jahres 1941 ist manch Ungeheuerliches geschehen. Auf den Historiker, der dies objektiv durchleuchtet, wird man weiter warten müssen. Die Zeit scheint dafür heute weniger günstig zu sein als während Eisenhowers Präsidentschaft. Zwei Soldaten der Waffen-SS und des SD durchsuchen erschossenen Partisanen (Jailagebirge auf der Krim, April 1942): Partisanenbekämpfung als militärischer Vorwand für den Völkermord Foto: Picture alliance/ AKG Martin Cüppers: Wegbereiter der Shoah. Die Waffen-SS, der Kommandostab Reichsführer-SS und die Judenvernichtung 1939-1945. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, 464 Seiten, gebunden, Abbildungen, 59,90 Euro

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