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Gott wohl doch nicht tot

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Daß die Genetik als eine der Schlüsseldisziplinen unserer Zeit sich nunmehr auch einer genetischen Grundlegung von Spiritualität und Religion widmet, hatte die Begründung einer neuen Wissenschaftsdisziplin, der sogenannten Neuro-Theologie (als jüngstem Zweig der Religionswissenschaften) zur Folge. Wie exemplarisch aus der Depressionsforschung hinlänglich bekannt, spielen Prozeßketten innerhalb des Hirnstoffwechsels wie etwa der Austausch von Neurotransmittern (Botenstoffen) zwischen den Neuronen eine zentrale Rolle. Der neuerliche Forscher-drang hat in spezifischen Hirnarealen wie den Temporallappen im Großhirn ein VMAT2-Gen verortet, welches bei vergleichbaren Prozessen – die aber für die Erzeugung spiritueller Zustände und religiöser Gefühle maßgeblich verantwortlich zeichnen – als Steuerinstanz fungiert. Zwar räumt Dean Hamer, amerikanischer Molekularbiologe, eine nicht monokausal erklärbare Tiefendimension des Glaubensaktes durchaus ein – gleichwohl favorisiert er das darwinistisch-evolutionistisches Erklärungsmuster. Was letztlich in der Feststellung gipfelt, daß das Phänomen der Religion nicht unmaßgebliche Selektionsvorteile im Evolutionsprozeß intendiert – wie etwa Gesundheit, Hoffnungs- und auch Fortpflanzungsbereitschaft. Potentielle Schlußfolgerungen aus diesem Deutungsversuch sind dann auch durchaus zwiespältiger Art: Während atheistische Forscher das dargelegte Modell als Beleg für einen „Hirngespinst-Charakter“ Gottes werten, erklären es eher religiös ausgerichtete Wissenschaftler als göttlicherseits im Gehirn implementiertes Interface, welches dem Menschen überhaupt erst eine Zugangsmöglichkeit zu seinem Schöpfer eröffnet. Ob die Genetik als ultimativer Gottesbeweis taugt, mag dahingestellt bleiben. Bleibt letztlich doch alle spirituelle Erfahrung ein Mysterium und – folgt man einem Diktum des US-Philosophen William James – zuvörderst eine Sache von Gefühl und persönlicher Erfahrung. Jedenfalls kann nicht mehr ohne weiteres mit Nietzsche konstatiert werden, Gott sei tot. Vielmehr sind religiöse Phänomene so alt wie die Menschheit selbst – und werden als solche wohl auch bleiben. Dean Hamer: „Das Gottes-Gen“. Warum uns der Glaube im Blut liegt. Kösel Verlag, München 2006, 272 Seiten, gebunden, 19,95 Euro

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