Das erhoffte Husarenstück ist diese zweite Einspielung innerhalb der Gustav-Mahler-Lied-Edition bei Telos nicht geworden. Aber sie gehört in die Reihe (telos music vocal TLS 1002). Gustav Mahler (1860-1911) hat seine Symphonie für eine Tenor- und eine Alt- (oder auch Bariton-) Stimme und Orchester nach Hans Bethges „Die chinesische Flöte“ – Alma Mahlers Plappermaul zufolge seine geheime Neunte – selbst nie gehört. Bruno Walter, der „Das Lied von der Erde“ postum uraufführte und im Konzertrepertoire durchsetzte, hatte die zweite Partie jedesmal mit einer Altistin besetzt, Leonard Bernstein diese Aufführungstradition durchbrochen, als er sie erstmals einem Bariton, Dietrich Fischer-Dieskau, übertrug. Hampson und Skovhus folgten. Der argentinische Bariton Iván Paley ist also nicht der erste, der sie überhaupt, wohl aber der erste, der sie zu Mahlers Klavierfassung für die Schallplatte gesungen hat. Nachdem das wieder aufgefundene Autograph der Fassung für Klavier und Singstimmen 1989 als Supplement zur Kritischen Gesamtausgabe erschienen ist, dürften Zweifel an deren künstlerischer Eigenständigkeit gegenüber der Fassung für Orchester als ausgeräumt gelten. Mahler hat im Sommer 1908 an beiden Fassungen parallel gearbeitet, die ersten Orchesterentwürfe der Sätze drei, fünf und sechs waren noch vor der Klavierpartitur entstanden, an der er auch während der Reinschrift der Orchesterpartitur in den Wintermonaten mehrmals Verbesserungen vornahm. Die Entscheidung der Interpreten für die Klavier- und gegen die Orchesterfassung ist eine grundsätzliche. Darüber vermochte die Weltersteinspielung mit Cyprien Katsaris (Teldec 2292-46276-2) noch hinwegzutäuschen, der mit ausladender, überwältigender Geste dem Soloinstrument den vollen Orchesterklang abzuzwingen suchte. Einen anderen, härteren Ton schlägt der Pianist Stephan Matthias Lademann an. Er entscheidet sich gegen das exotische Kolorit und für die Durchhörbarkeit der harmonischen und melodischen Verläufe, gegen die jugendstilhaften und für die neusachlichen Tendenzen des Werkes. Und auch für sein Unfertiges, indem er musikalische Vortragsbezeichnungen aus der Orchesterpartitur nicht einfach bedenkenlos übernimmt. Damit aber macht Lademann einen Widerspruch der Klavierfassung offenbar: Die extrem hohe Tessitura der Tenorstimme wird nun nicht mehr von einem großen Orchesterapparat beglaubigt, und damit sie nicht ins Leere fallen, bringt Robert Dean Smith die „wildgespenstischen“ musikalischen Gestalten, das „Heulen“ des „Affen“, das Delirium des Trinkers, dem sich Traum und Realität verkehren, auf den von Lademann angeschlagenen feinen, lyrischen Grundton herunter, den Mahler jedoch nicht gemeint haben dürfte. Um Mahlers „Persönlichstes“ zum Ausdruck kommen zu lassen, braucht es die Persönlichkeit jedes Interpreten. Für Iván Paley kommt die Aufnahme um Jahre zu früh! Die Stimme klingt unausgeglichen und intonationsunsicher, Kopf- und Brustregister sind nicht hinreichend durchmischt, sinnentstellende Verfärbungen der Vokale in den oberen Lagen die Folge. Mit rauhem Forcieren und äußerer Dramatisierung ist in jene Extrembereiche nicht vorzudringen, in denen individueller Ausdruck in allgemeingültige Aussage umschlägt. Zu dem musikalischen Ereignis dieser Weltersteinspielung macht Lademann das Zwischenspiel im letzten Lied „Abschied“, die große Reprise zu einer katastrophischen Durchführung, die er mit unerbittlich unnachgiebigen Tempi exekutiert – Figuren im Takt eines stotternden Motors oder wie ein Herzschlag, immer wieder aussetzend und neu einsetzend und dann nicht mehr einsetzend.