Die im 34. Jahrgang vierteljährlich erscheinende Arbeiterstimme – Zeitschrift für marxistische Theorie und Praxis befaßt sich in ihrer aktuellen Sommer-Ausgabe vornehmlich mit dem „Niedergang der rosa-olivgrünen Regierung“. Unter der Überschrift „Die Artisten unter der Reichstagskuppel: Ratlos.“ wird nicht nur ein „Rechtsabdriften der Sozialdemokratie“ beschrieben, „Orientierungslosigkeit und Flickschusterei“ herrsche vielmehr, wohin man blickt, „auch bei der in den Startlöchern stehenden Union“. Über die dominierende Rolle des internationalen Finanzkapitals schreibt die in der Tradition der historischen KPD-Opposition (KPD-O) um die antistalinistischen Kommunisten Heinrich Brandler und August Thalheimer stehende Zeitschrift, dieses setze das in Deutschland ansässige produktive Kapital stark unter Druck und mache es gewissermaßen zu „Getriebenen“. Es sei also keineswegs mangelnder Patriotismus, der die einheimischen Unternehmen zu Produktionsverlagerungen ins billigere Ausland und damit zu Entlassungen treibe, sondern die Gewinnerwartungen des Finanzkapitals in Form von Zinsen und steigenden Aktienkursen. Mit Hohn und Spott begegnet man hingegen Münteferings „Kapitalismuskritik“, deren „offensichtliche Unehrlichkeit“ angesichts der Steuergeschenke der SPD an die großen Konzerne das Scheitern der Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierung Schröder/Fischer auch nicht verschleiern könne. Da „Wunder in der Ökonomie“ jedoch nur sehr selten vorkämen, würde auch eine Kanzlerin Merkel mit den gleichen neoliberalen Konzepten wohl keine nennenswerte Verminderung der Arbeitslosigkeit erreichen. Ein anderer Beitrag fragt nach einem Zusammenhang zwischen Armut, Arbeitslosigkeit und Rechtsradikalismus und beschwört „Weimarer Verhältnisse“. Zwar lehnt der Autor einen Automatismus ab und weist auf das Milieu und prägende Erlebnisse in der Kindheit hin, insgesamt ist der Text jedoch von kaum zu überbietender intellektueller Schlichtheit. Tatsächlich war es ja gerade ein Charaktermerkmal des historischen Faschismus, daß viele Seelen innerhalb dieser Bewegung hausten: antibürgerliche soziale Solidarität und aggressiver Kapitalismus, Liberalismus und Protektionismus, Universalismus und Rassismus, Machismus und die Emanzipation der Frau, Agnostizismus und Katholizismus. Nur eine absolut vulgäre und völlig unzureichende Geschichtsschreibung läßt jene Strömungen in der radikalen Rechten außer acht, die als „antibourgeois“, „nationalpopulär“, „nationalrevolutionär“, nationalkommunistisch“ und „links“ verstanden werden müssen. Dazu gehört allerdings auch, daß sich die antagonistische Linke endlich mit den ethnisch-kulturellen Veränderungen durch das Phänomen der Migration beschäftigt, und zwar mit der Losung der Erhaltung aller nationalen Eigenheiten, nicht mit dem Rückgriff auf den Rassismus. Sollte sie dies einmal mehr versäumen, wird sie in Gefahr geraten, daß sich nicht mehr Teile der radikalen Rechten auf die antagonistische Linke zubewegen, sondern ein gegenläufiger Prozeß beginnt. Anschrift: Thomas Gradl, Bucherstr. 20, 90408 Nürnberg. Einzelpreis: 3 Euro, Jahresabo: 13 Euro. Internet: www.arbeiterstimme.org