Das Niveau einer Zivilisation offenbare ein Blick in ihre Gefängnisse, soll Dostojewski, der selbst Jahre in sibirischen Lagern verbrachte, geäußert haben. Wolfgang Althof beschreibt knapp 150 Inseln als Orte der Verbannung. Seit der Antike isolierte man „Sträflinge“ auf Inseln. Die Lektüre des Buches gruselt, sollte aber eher zur Reflexion anregen, geht es doch um keine Arabeske der europäischen Kultur. Besonders Frankreich und Großbritannien errichteten in tropischen Kolonialgebieten Strafanlagen, die den Archipel Gulag vorwegnahmen. Henri Charriere alias „Papillon“ veröffentlichte Ende der sechziger Jahre seinen legendären Roman. Darin beschrieb er das „Menschenfresserin“ genannte Haftsystem in Französisch-Guyana. Berüchtigt waren drei der Küste vorgelagerte Inseln, darunter die „Teufelsinsel“, auf der auch Alfred Dreyfus vier Jahre lang schmachtete. Seit dem frühen 18. Jahrhundert wurden Franzosen, oft aus politischen Gründen Verurteilte, nach Guyana deportiert. Von 1854 bis 1953 diente Cayenne als offizielle französische Strafkolonie. In dieser Zeit kamen 70.000 Franzosen nach Guyana; etwa 50.000 starben einen vorzeitigen Tod wegen Erkrankung, „trockene Guillotine“ genannt, Totschlag, Hinrichtungen, Zwangsarbeit. De facto bedeutete dies staatlich sanktionierten Mord, der inoffiziell wohl beabsichtigt war. Unerhörte Brutalität kennzeichnete ebenso englische Lager. Sie existierten im 18. und 19. Jahrhundert vor allem in Australien und Tasmanien. 160.000 Unglückliche wurden dorthin transportiert, rodeten Land, bauten ganze Städte. Tausende starben bereits während der monatelangen Überfahrt. Keineswegs nur gewöhnliche „Kriminelle“ verschleppte die britische Regierung „wie Abfall“. Der jüngste Sträfling war ein neunjähriger Schornsteinfeger. Manche Engländer wie der berühmte Schriftsteller John Galsworthy, hätten in der Deportation eine probate Lösung der sozialen Frage gesehen. Geringste Vergehen wurden in den Lagern barbarisch geahndet, meistens durch Auspeitschen. Obwohl Althof nur selten kulturhistorische Zusammenhänge betrachtet, verdient sein Buch große Beachtung. Wolfgang Althof: Sträflingsinseln. Schauplätze der Vergangenheit, Verlag E.S. Mittler, Hamburg 2005, 288 Seiten, gebunden, 36 Euro