Im Herbst ist es 16 Jahre her, daß Eric Burdon sein letztes Studioalbum veröffentlichte. „I used to be an Animal“, 1988 erschienen bei Metronome, war halbautobiographisch geprägt und sorgte seinerzeit mit peppigem Bluesrock für ein kleines Revival des unverwüstlichen „schwarzen Weißen“ aus der britischen Industriestadt Newcastle. Doch obwohl die Single „Run for your Life“ durchaus Hitqualitäten aufwies, waren die Nachgeborenen für das Idol ihrer Eltern nicht übermäßig zu begeistern. In den Jahren zwischen damals und heute tourte das Stehaufmännchen des Blues, ohne Plattenvertrag in der Tasche, unermüdlich durch die Lande, sang seine alten Hits, gründete erst die „Flying I Band“, später die „New Animals“, spielte zusammen mit Brian Auger von der Spencer Davies Group und zollte seinem Vorbild Jimi Hendrix mehrfach Tribut, indem er einige von dessen Songs neu interpretierte. Im März dieses Jahres nun erschien im Palmyra Verlag, Heidelberg, Burdons (zweite) Autobiographie „My Secret Life“. Zu diesem Anlaß gibt es bei SPV jetzt ein lange angekündigtes und immer wieder verschobenes neues Album, das – unter gleichem Titel – den inzwischen 63jährigen mit dem deutlich sichtbaren Bierbauch und den bunten Hemden in Höchstform zeigt. Schon seine letzten Deutschland-Konzerte 2002 und 2003 vermittelten den Eindruck, daß sich Burdon von seinen früheren wilden Exzessen mehr als nur erholt hat und mit sich und der Welt längst im reinen ist. Genau vor 40 Jahren wirbelte sein erster mit den „Animals“ eingespielter und längst zum Klassiker gewordener Evergreen die Rockszene gehörig durcheinander: „The House of the Rising Sun“, eine schaurig-schöne Bluesmoritat über ein obskures Südstaatenbordell, das der Ruin so vieler Männer gewesen sein muß. Heute beweist Burdon auf „My Secret Life“, daß er nichts verlernt hat. Er röhrt sich von brodelnder Leidenschaft beseelt mal zupackend, mal sonor, nicht selten lasziv, stets ein bißchen traurig, und ohne jegliche stimmliche Verfallserscheinung durch 13 grandiose Lieder; zu einem großen Teil Eigenkompositionen, aber auch ausgewählte Coverversionen im neuen Gewand. Der Blues, Burdons traditionelle Spielwiese, bildet auch 2004 die Grundlage, angereichert mit allen nur erdenklichen Zitaten und Zutaten. Ob deftige Soulanklänge („Once upon a Time“), trockener, schneller Rock’n’Roll („Devils Slide“), aufreibende Ska-Rhythmik („Black and White World“), stille Großstadtballaden („Broken Records“) oder fetziger Blues’n’Boogie („Can’t kill the Boogie Man“) – kein Song gleicht dem anderen. In den Texten geht’s zumeist um die längst vergangenen Good Times: Burdon schwärmt von Jugenderinnerungen in der Pariser Jazzszene, als er im zarten Alter von 15 Jahren die Swinghelden jener Tage leben, spielen und sterben sah, und rekapituliert die sechziger Jahre zwischen Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, Martin Luther King und all den großen Künstlern jener Tage von Elvis über Marvin Gaye bis Otis Redding. Als Höhepunkt dieses grandiosen Albums erweisen sich hochinteressante, aber durchaus nicht ohne Risiko arrangierte musikalische Stellungnahmen, die man in dieser Form nicht von Eric Burdon erwartet hätte: So verbeugt sich der vielschichtige Sänger im Titelsong vor dem brillanten Zyniker Leonard Cohen, und er hüllt den Talking-Heads-Klassiker „Heaven“ in ein sanft swingendes Jazzgewand. Nicht nur die Hammondorgel oder die durchdringende Bluesharp bestimmen den Sound der Songs. Pianoklänge, ein düsteres Saxophon, verschiedene Klarinetten, akustischer Baß und sanftes Schlagzeug weisen den Weg, den Burdon auf seine alten Tage weiter beschreiten sollte.
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