Als die Journalistin Bettina Röhl vor vier Jahren mehr zufällig auf Fotos stieß, die Joschka Fischer in seiner Zeit als Frankfurter Straßenkämpfer zeigen, wie er im April 1973 gemeinsam mit Gesinnungsgenossen einen Polizisten verprügelt und mit Fußtritten traktiert, schienen die Amtstage des deutschen Außenministers gezählt zu sein. Nachdem die Hamburger Illustrierte Stern Anfang 2001 die Bilder zusammen mit einem Interview mit Fischer („Ja, ich war militant!“) veröffentlicht hatte, forderten die CSU und einzelne CDU-Politiker seinen Rücktritt. Doch dazu kam es nicht. Statt dessen geriet die 1962 in Hamburg geborene Bettina Röhl selbst zunehmend in die Kritik. Der Tochter des damaligen Herausgebers der linksradikalen Zeitschrift Konkret, Klaus Rainer Röhl, und der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof wurde vorgeworfen, sie arbeite nur ein Kindheitstrauma auf und begehe mit ihren Attacken auf Fischer einen „symbolischen Muttermord“. Sogar von einem „öffentlichen Vernichtungsfeldzug“ war die Rede. Seit dieser Zeit führt Bettina Röhl einen einsamen Kampf gegen das Desinteresse, Vergessen und Schweigen im Fall des prügelnden Außenministers. Auf ihrer Internetseite veröffentlicht sie Texte und Vorträge, die sich mit Fischer und seiner linksradikalen Vergangenheit beschäftigen. Und wo immer sie für Zeitungen und Zeitschriften tätig ist, darf man sicher sein, daß sie auch auf Fischer und die militanten siebziger Jahre in Frankfurt zu sprechen kommt. Das war in einer Artikelserie im CDU-nahen Deutschland-Magazin der Fall (JF 31-32/02), und das ist auch jetzt wieder so in ihren Beiträgen für die entlegene Vierteljahreszeitschrift Campo de Criptana. In der aktuellen Ausgabe beschwert sich Bettina Röhl in einem „persönlichen Nachruf“ auf den scheidenden Bundespräsidenten darüber, daß Johannes Rau nicht auf einen Offenen Brief von ihr reagierte, in dem sie den Fall Fischer und das Versagen der Medien geschildert hatte. Später habe Rau sie sogar gelegentlich eines Interviews mit der Zeitschrift Max verbal attackiert und denunziert. Nun solle er seine restliche Amtszeit dazu nutzen, seinen „Fehltritt in Ordnung zu bringen“. Einige Seiten zuvor findet sich in der gleichen Ausgabe ein Gespräch, das Bettina Röhl mit Marcel Reich-Ranicki geführt hat. Auch da versucht sie das linksradikale Milieu der siebziger Jahre zu thematisieren, handelt sich von dem Literaturkritiker aber nur eine kalte Abfuhr ein – zu Recht. Offenbar vermag Bettina Röhl nicht zu erkennen, daß ihre Penetranz nicht allein der Sache schadet, sondern einfach nur – nervt.
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