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Götter wirken durch ihr Sein, Menschen durch Taten

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Wo trifft man heute Helden? Die Politik kennt sie nicht, nicht das öffentliche Leben. Scheinbar haben Musiksender sie beschlagnahmt, wo sie hüpfend, kreischend und hüftenwackelnd zu begeistern suchen. Wahre Helden aber wollen niemanden begeistern, sie wollen retten. Der Held wirkt nicht in der Inszenierung. Als Superstar und Schauspieler findet er nicht seine Wirkstätte, sondern nur Simultanräume, Scheinwelten, in denen er nur zur Schau spielt. Mythos entzieht sich der Inszenierung. Seine Bühne ist kein Menschentheater, weil er über dem Menschsein steht, als sich periodisch wiederholendes Ereignis. Götter wirken durch ihr Sein, Menschen durch Taten. Könige, durch Zeus mächtig, befehlen. Helden nun sind weder Götter noch Könige. Sie sind große Täter, Übermenschen. Das höchste Beispiel eines Helden ist Herakles. „Du sollst den Gott der Erde mir gebären! Prometheus soll von seinem Sitz erstehn – und dem Geschlecht der Welt verkündigen: Hier ward ein Mensch, so hab ich ihn gewollt!“ läßt Kleist den Achilles in seiner „Penthesilea“ ausrufen. So ist uns Herakles. Seine Taten übertreffen in ihrer Größe und Vielzahl die aller anderen Helden. Zeus zeugt ihn mit Alkmene in einem kosmischen und epochalen Akt. Helios muß seinen Wagen ausspannen und die Länge der Nacht verdreifachen. Es ist das letzte Mal, daß der Gottvater sich mit einer Sterblichen gattet, einen größeren Helden kann er nicht mehr zeugen, einen geringeren will er nicht. Nach seinem Spruch soll der nächstgeborene Perseus-Sproß die Herrschaft über alle Umwohner antreten. Hera, die listige Zeus-Gattin, rächt den Ehebruch durch die Verzögerung der Geburt und läßt in Argos die dortige Königin vorzeitig den Perseus-Enkel Eurystheus zur Welt bringen. Der Schwur des Zeus erfüllt sich anders. Durch das verlorene Königtum wird Herakles erst zu seinen Taten gespornt, von Heras Haß verfolgt wird er zum Helden. Dem Neugeborenen schickt sie Schlangen in die Wiege. Der Kleine erwürgt sie. Schnell folgt eine Heldenlaufbahn. Er tötet einen rindertötenden Löwen, beschläft fünfzig Jungfrauen und errettet die Heimatstadt Theben aus der Fremdherrschaft. König Kreon gibt ihm seine Tochter Megara zur Frau, die ihm mehrere Söhne schenkt – und wenn sie nicht gestorben sind … Doch hier schreitet Schopenhauer ein und ruft: „Ein glückliches Leben ist unmöglich: Das Höchste, was der Mensch erlangen kann, ist ein heroischer Lebenslauf. Einen solchen fährt der, welcher … für das allen irgendwie zugute Kommende mit übergroßen Schwierigkeiten kämpft und am Ende siegt, dabei aber schlecht oder gar nicht belohnt wird.“ Denn im Glück endet kein Held, er muß ein Schicksal erfüllen. Herakles tötet im von Hera geschickten Wahnsinn seine Kinder und muß fortan König Eurystheus als Knecht dienen. Hier hebt seine zweite Heldenlaufbahn an, ein duldender Dienst ohne irdischen Lohn. Zwölf Taten hat er zu leisten. Zuerst muß Herakles den Löwen töten, der die Gegend von Nemea verunsichert. Hera zog ihn auf, durch Waffen ist er unverwundbar. Also wird er erwürgt, durch Kraft und Geschicklichkeit. Fortan trägt Herakles das Löwenfell als Panzer. Am alkyonischen Teich, der als Schlund zum Hades gilt, haust die neunköpfige Hydra von Lerna. Herakles tötet sie mit der Hilfe seines Neffen Jolaos, der jeden abgeschlagenen Kopf mit Feuer ausbrennt, bevor dieser doppelt nachwächst. Das letzte Haupt ist unsterblich und muß unter einem Felsbrocken lagern. In Hydrablut taucht Herakles seine Pfeile. „Speer-Schäfte heben sich steil, doch höher der Mann mit der Flamme. Hat er die Häupter gemäht, brennt er die Stümpfe ihr aus. Aber das eine, das heil – sich wiegt auf erschüttertem Stamme, schenkt ihm, der Schrecken gesät, Kelche voll himmlischen Taus“, hat Rolf Schilling dies bedichtet. Die dritte Tat soll Schikane sein: Der Eber von Erymanthos, ein Landzerstörer, soll lebend gefangen und vorgezeigt werden. So geschieht es, und auf Heldenschultern wird er zappelnd dem in eine Großamphore geflüchteten Eurytheus ins Angstgesicht gehalten. Im vierten Akt muß der Held als Läufer der kerynitischen Hirschkuh nachsetzen, um deren goldenes Geweih zu erbeuten. Artemis, der das Tier heilig war, und ihr Bruder Apoll müssen ihren Einspruch aus Rücksicht auf den höheren Willen ihres Vaters Zeus unterdrücken. Am See von Stymphalos tötet Herakles mit dem Bogen finstere Vögel mit ehernen Krallen und Schnäbeln und Federn, die sich wie Pfeile verschießen können. In Elis reinigt Herakles an einem Tage die miststarrenden Ställe des Königs Augias durch das Hindurchleiten der Flüsse Alpheios und Peneios. Der unheroischen Berührung mit dem Dung entgeht er durch kluge Technik. Siebtens fängt er den kretischen Stier und bringt ihn schwimmend nach Mykene. Eurystheus läßt ihn wieder frei. Theseus überwindet ihn später in Marathon. Die menschenfressenden Rosse des Königs Diomedes werden gezähmt, nachdem Herakles ihnen ihren eigenen Herrn zum Fraß vorwirft, und zu Eurystheus gebracht. Da sich die Tochter des Eurystheus für die neunte Tat den prächtigen Gürtel der Amazonenkönigin Hippolyte gewünscht hat, zieht Herakles mit großem Aufgebot wider das Frauenvolk, um wie immer siegreich heimzukehren. Hippolyte bleibt dabei auf der Strecke. Mit Rinderherden als Beute kehrt er vom dreileibigen Unhold Geryoneus zurück, dessen zweileibigen Wachhund Orthros er tötet, ebenso wie seinen Hirten, den Giganten Eurytion. Die vorletzte Tat gilt dem dreiköpfigen Höllenhund Kerberos, den er aus dem Hades vor Eurytheus schleppt und wieder zurückbringt. Wie immer erfüllt sich die Hoffnung des böswilligen Königs nicht, der Held möge in der Ausführung der vermeintlich unlösbaren Aufgabe den Tod finden. Die Zwölfzahl der Taten beschließt sich in der Herbeibringung der goldenen Äpfel aus dem Wundergarten der Hesperiden, der hellstimmigen Töchter der Nacht. Den Weg dorthin weist ihm Prometheus, der seinem Befreier Herakles rät, die Äpfel von seinem Bruder Atlas herbeischaffen zu lassen. So geschieht es. Herakles nimmt dem Titanen derweil das Tragen des Himmelsgewölbes ab. Als Atlas ihm die Last auf ewig belassen wollte, bringt Herakles unter dem Vorwand, sich selbst noch ein Kissen unterzulegen, den Atlas noch einmal unters Joch und entweicht mit den Äpfeln. Seine Stärke ist stets von Klugheit und List beraten. Nun hat der Held die Aufträge für Eurystheus erledigt. Bei allen wird er von Athena zur Beratung und Unterstützung begleitet. Die Göttin hat die universale Aufgabe, den Willen des gemeinsamen Gottvaters zu befördern. Aus der Überlieferung treten noch zahlreiche Nebentaten hinzu, die meist während der Reisen anfielen, gegen den Ägypterkönig Busiris, den Riesen Autoios, den Ares-Sohn Kyknos und den Meerdrachen Triton. Sie alle tragen einen tieferen Sinn, mit dem es sich zu beschäftigen lohnt. Ein Beispiel ist der Streit um den delphischen Dreifuß. Nach der wahnhaften Tötung des Iphitos erleidet Herakles eine schwere Krankheit. Heilung erhofft er in Delphi, wo ihm jedoch die Orakelpriesterin die Antwort verweigert. Aus Wut plündert der Abgewiesene das Heiligtum. Um eine eigene Orakelstätte zu gründen, raubt er den Dreifuß. Als ihn daraufhin der Orakelherr Apollon angreift, muß Zeus schlichten. Dieser Kampf ist etwas Besonderes, weil die Beraubung des Heiligtums Herakles zum Frevler machen müßte. Doch es bleibt ein Streit unter Brüdern. Der Gott spielt seine Überlegenheit nicht aus, der Kampf symbolisiert schon die baldige Ebenbürtigkeit des Helden, der den Göttern nah wie kein anderer ist. Stets bleibt er in der Gnade des Zeus, verkörpert durch die Beistandsgöttin Athena, und wird am Ende, mit allen Göttern versöhnt, als Gott in den Olymp aufgenommen. Auch Heras Haß ist Teil einer weitblickenden Agenda, deren indirekte Verursacherin sie wird, ähnlich wie Mephisto in Goethes „Faust“, als ein „Teil von jener Kraft, die stets das Böse will, und stets das Gute schafft“. So ist auch der Name „Hera-kles“ zu deuten, denn Kléos heißt „Ruhm“. Herakles ist jener, der Hera Ruhm bringt, oder der durch Hera berühmt wird. „Herakles – Herkules“ heißt eine Ausstellung in der nach Renovierung gerade wiedereröffneten Staatlichen Antikensammlung am Münchener Königsplatz. Die einzelnen Taten sind hier, oft in verschiedenen Versionen, auf Vasen zu besehen, die meist aus dem Attika der archaischen und klassischen Zeit stammen. Gezeigt wird beispielsweise die epochale Amphora des Andokides-Malers aus der Zeit um 520/510 v. Chr., die Herakles als Zecher sowohl in der alten schwarzfigurigen als auch in der gerade aufkommenden rotfigurigen Malweise darstellt. Hier können sich wißbegierige Augen ein Bild davon machen, wie sich die klassische Zeit den Herakles-Mythos vorstellte. Dazu kommen Gipsabgüsse, zum Beispiel der Metopen des Zeustempels von Olympia, und Kleinplastik, teilweise aus römischer Zeit. Hervorragend ist der Ausstellungskatalog zu nennen. Schon die Vorstellung der einzelnen Vasenformen mit Heraklesmotiven gerät zu einem mustergültigen Überblick über griechische Vasenformen im allgemeinen. Die Auflistung der antiken Textquellen gibt eine Anschauung der fragmentarischen Überlieferung des Heraklesbildes. In langen Ketten von Abschriften antiker Quellen – über das am Helden desinteressierte Mittelalter hindurch – ist nur ein Teil auf uns gekommen, der oft nur im Vergleich mit den Vasenbildern rekonstruiert werden kann. Thematisiert wird die Entstehung des Zwölftaten-Kanons (Dodekathlos) aus dem Fundus von nicht weniger als 34 Heraklesthemen. Im Katalog wird er um 300 v. Chr. als feststehend angenommen. Etablierende Wirkung hatten wahrscheinlich die Metopen des olympischen Zeustempels, an denen der gesamte Dodekathlos zum ersten Mal in der bildenden Kunst erscheint. Die einzelnen Taten waren aber schon viel früher bekannt, wie einige Stellen der Ilias aufzeigen (z. B. 15, 639). Der Heraklesmythos bezeichnet den Übergang von den Göttern zu den Menschen. Nach ihm folgen „nur“ noch Menschenhelden wie Achilles oder Odysseus, bei denen der Mythos schon halb in die Geschichte eintritt. Herakles‘ Auftrag ist zivilisatorisch. Er säubert die Welt von Unholden und Dämonen, wie etwa den Kentauren, und befriedet sogar das Meer (Pindar, Nem. 3,23). Durch die Tötung des Busiris beendet er dessen Menschenopfer. Immer ist sein Wirken rastlos. Als antiker global player ist er in allen Weltteilen zu finden, und im Kampf gegen Antoios begehrt er auch gegen Wurzeln und Boden auf. Als Mensch, der es erreicht hat, ein Gott zu werden, ist Herakles der Exponent des Glaubens eines neuen Heros-Gottes, ebenso auch der einzige panhellenische Heros. Für Wilamowitz konnte dieser Kultus nur in einer adligen Gesellschaft erwachsen sein. Dieser Mensch, der alles aus eigener Kraft leistet und dabei nicht nur den Hellenen, sondern der Menschheit dient, war universal gedacht und wurde so zum Vorbild, besonders in aristokratischen Gesellschaften. Noch Karls V. Motto „Plus Ultra“ erhebt den Anspruch, die Säulen des Herakles zu überschreiten. Was gibt es also zu tun? Foto: Statue des Herakles, röm. Kopie nach Skopas (um 340 v.Chr.) Die Ausstellung ist noch bis zum 30. April 2004 in der Staatlichen Antikensammlung München Königsplatz 14, zu sehen. Tel: 089 / 59 98 88 30

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