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Erfüllt von böser Vorahnung

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Erfüllt von böser Vorahnung

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Das Altartuch und ein Stuhl brannten bereits, der Kirchenboden schwamm von klebriger Flüssigkeit, und durch die Luft flogen Gebetbücher. An der aufgebrochenen Flügeltüre stand Pfarrer Tony Tooby und mußte ansehen, wie etwa sechzig moslemische Jugendliche sein viktorianisches Gotteshaus verwüsteten. Während Tooby per Funktelefon die Polizei benachrichtigen wollte, hörte er plötzlich hinter sich wütende Rufe: „Schnappt euch den weißen Bastard!“ Einige Vermummte warfen Steine nach ihm, als der Pfarrer zu seinem Auto rannte. Er entkam mit knapper Not und einer zerschmetterten Heckscheibe, bevor ein Mannschaftswagen der Polizei eintraf und den Mob aus der Kirche trieb. Pfarrer Toobys kleine St. Philip’s Kirche im nordenglischen Bradford, gebaut um 1860, wurde in den letzten Monaten bereits mehrfach heimgesucht. Dabei brach eine Mauer teilweise ein, und alte Glasfenster gingen zu Bruch. Man könnte den Eindruck bekommen, unter jungen Moslems in Bradford gäbe es gewisse Ressentiments gegen Christen oder die Kultur des Gastlandes. Aber nein, Tony Tooby hat seine multikulturelle Lektion gut gelernt: Es seien gedankenlose Halbstarke gewesen, entschuldigte er die Angriffe von Anfang November sofort. „Über 99 Prozent der asiatischen und moslemischen Gemeinschaft sind großartig. Seit ich hier angekommen bin, haben sie mir nur Freundlichkeit und Liebe gezeigt“, versichert der anglikanische Pfarrer. Der Vorsitzende des Rats der Moscheen in Bradford, Sher Azam, bläst in dasselbe Horn: „Das ist genereller Vandalismus heute.“ Ein bißchen übermütig waren die Jungen halt. Man habe aber „keine größeren Probleme“ als anderswo, versichert Azam. Natürlich, bis auf die Straßenschlachten im Juli zwischen Jugendlichen asiatischer Abstammung und der Polizei. Diese hatte Mühe, mit 900 Einsatzkräften der Rassenunruhen Herr zu werden. Schwerverletzte waren zu beklagen, es gab Dutzende Festnahmen und etwa 20 Millionen Pfund Sachschaden. Seit den Krawallen in Brixton, Tottenham oder nahe Liverpool in den achtziger Jahren hatte die Insel solche Bilder nicht mehr gesehen. Einigen erschien das multikulturelle Experiment gescheitert. Aus Sicht seiner Apologeten waren die jungen Asiaten erneut Opfer. Die Propagandisten der Masseneinwanderung haben den ideologischen Hauptverantwortlichen für die Eintrübung ihrer multikulturellen Träume ermittelt: Enoch Powell. Der 1998 verstorbene rechtskonservative Politiker warnte als einer der ersten in drastischer Sprache vor einer fragmentierten, multiethnischen Gesellschaft. Mal wieder ist der Überbringer der schlechten Nachricht der Schuldige: Powell, ein Vertreter des alten Britanniens, ein konservativer Intellektueller, der zwölf Sprachen beherrschte, mit nur 25 Jahren in Sidney eine Professur für Griechisch erhielt und im Weltkrieg zum jüngsten General der britischen Armee aufstieg, eignet sich hervorragend als Sündenbock. Gehen irgendwo in Großbritannien ein paar Autos, ein Supermarkt oder eine Kirche in Flammen auf, dann erinnert sich das liberale Establishment mit Abscheu der Rede Powells vom 20. April 1968. Man könne in Großbritannien Zustände wie in einem Bürgerkrieg erleben, sagte der damalige Spitzenpolitiker und forderte die Rückführung von nicht integrierbaren Ausländern. Im kollektiven Gedächtnis der Nation blieb eine schauerliche Vision von „rivers of blood“ haften. Das Klima in Großbritannien sei danach auf lange Zeit derart vergiftet worden, daß eine vernünftige Diskussion über die Einwanderung nicht mehr möglich gewesen sei, klagte dieser Tage erneut der frühere Minister Lord Deedes. Dieser Sicht widerspricht in der jüngsten Ausgabe des liberal-konservativen Magazins Spectator der Kolumnist der Tageszeitung Daily Mail, Simon Heffer. Auch vor Powells Birminghamer Rede habe das politische Establishment keine rechte Lust gezeigt, sich mit den absehbaren sozialen Problemen der Masseneinwanderung zu befassen. Mit bemerkenswerter Offenheit verteidigt Heffer die ablehnende Haltung Powells zur Multikultur. Der tote Prophet werde heute um so heftiger attackiert, weil er Recht hatte. Großbritannien fühlte seit dem Untergang des Empires eine moralische Verpflichtung, die Türen weit offen zu halten. Jeder Einwohner des Commonwealth hatte mit dem britischen Paß das verbriefte Recht auf Einwanderung. Hunderttausende Inder und Pakistani, Afrikaner und Ostasiaten nutzten ihre Chance. Die konservativen Regierungen der Zeit erfreuten sich des Lobes der Industrie über massenhaft billige Arbeiter. Man drückte beide Augen zu, als die Neuankömmlinge sich am Rand der alten Textilmetropolen in Nordengland in regelrechten Ghettos sammelten, erst einzelne Straßen, dann ganze Viertel unter ihre Kontrolle brachten. Erst 1962 zog die Regierung Macmillan mit dem „Commonwealth Immigration Act“ die Bremse. Der Zustrom wurde etwas verlangsamt, doch die Ghettos der Einwanderer bestanden weiter, kapselten sich immer stärker ab. Immer breiter wird die Kluft zwischen britischen Briten und den Nachkommen der asiatischen Einwanderer, doch die Devise des liberalen Establishments lautet: Nichts sehen, nicht hören, vor allem nichts sagen! „Vorurteile“ dürfe man nicht verstärken. Kann man den Brandgeruch von Bradford nicht riechen? Oder die Propaganda der islamistischen Londoner Gruppe Al-Muhajiroun übersehen, welche Osama bin Laden und die gefallenen britischen Taliban als „Helden“ feiert? In den Wochen der Militärschläge gab es in mehreren englischen Städten Kundgebungen britischer Moslems. „Taliban – Löwen Allahs“ war auf Plakaten zu lesen. Einige Dutzend Briten – nach Angaben der Al-Muhajiroun gar Tausende – haben ihre Familien verlassen, um an bin Ladens Seite den „heiligen Krieg“ zu kämpfen. Nach einer Umfrage der Times von Anfang November billigten 40 Prozent der britischen Moslems, daß ihre Glaubensbrüder den „Märtyrertod“ im Wüstensand dem Bürojob in Birmingham, Bradford oder Luton vorziehen. Oftmals jedoch erscheinen die religiösen Gründe nur vorgeschoben. Mit Osama bin Laden haben frustrierte Jugendliche sich einen Held gewählt, der ihrem diffusen Haß ein moralisches Fundament zu geben verspricht. Besorgte Kommentare der liberalen Medien fordern nun, „den Moslems die Hand zu reichen“, einen Dialog der Kulturen zu beginnen. Enoch Powell kannte die Kulturen der Welt. Gerade wegen seiner Kenntnis der Geschichte des Altertums wurde er zur Kassandra des multikulturellen Experiments und beschwor bereits vor über dreißig Jahren die Gefahr „wachsender Kräfte gegen die Integration, die ein Interesse haben an der Bewahrung und Verschärfung von rassischen oder religiösen Differenzen“. Sprach er tatsächlich von „rivers of blood“ an jenem Samstag in Birmingham? Nein! Dem Spectator ist zu dem Mut zu gratulieren, die entscheidende Passage der Rede nochmals zu dokumentieren: „Wenn ich vorausschaue, bin ich erfüllt von Vorahnung“, sagte Powell und zitierte dann eine Warnung des römischen Dichters Virgil vor dem Bürgerkrieg: „Wie der Römer scheine ich ‘den Fluß Tiber schäumend von viel Blut’ zu sehen.“ Seine politische Karriere bei den Tories war danach praktisch beendet, Parteichef Edward Heath boxte ihn aus dem Schattenkabinett heraus. Aber aus der Bevölkerung erhielt er über 100.000 zustimmende Briefe und wurde bis 1992 ins Parlament gewählt. „Statt ihn zu einem völlig ungeeigneten Sündenbock für das Versagen einer ganzen Politikergeneration und anderer seitdem zu machen“, schreibt Heffer, „sollten wir ihm zerknirscht eine posthume Entschuldigung zukommen lassen.“

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