Dienstag, 25. März 2014
Bin im Maxim-Gorki-Theater, dessen Intendantin Shermin Langhoff das Haus zur Bühne der Migrationspolitik macht, zum „Freitag-Salon“. Hamed Abdel-Samad stellt im Gespräch mit Jakob Augstein sein Buch „Der islamische Faschismus“ vor. Aber „Jakob der Lügner“ kündigt die Veranstaltung – gegen die erklärte Absicht des Autors – an unter der irreführenden Frage „Welchen Islam wollen wir?“. Doch Abdel-Samad bleibt Herr der Lage und läßt Jakob Augstein ein ums andere Mal auflaufen, etwa als dieser die Religion des Islam von den bestehenden Vorwürfen reinwaschen will: Darauf Abdel-Samad: „Das ist auch eine Ausrede für Islamisten, immer wieder an die Macht zu kommen, immer wieder es neu zu versuchen, daß man immer denkt, die Idee, die politische Ideologie an sich ist richtig, nur die Umsetzung bis jetzt ist falsch. Bis jetzt hat Bin Laden den Islam falsch verstanden, die Muslimbrüder haben den Islam falsch verstanden, die iranischen Faschisten der iranischen Revolution haben den Islam falsch verstanden. In Algerien haben sie ihn falsch verstanden, die Salafisten haben’s falsch verstanden, wer hat’s richtig verstanden? Vermutlich nur Jakob Augstein.“
Freitag, 28. März 2014
Claudia Roth bleibt sich treu: „Nie wieder Deutschland!“ Wegen der Politik Putins – so die Sportnachrichten im Deutschlandfunk – solle die deutsche Fußballnationalmannschaft nicht an der WM 2018 in Rußland antreten.
Sonnabend, 29. März 2014
Radioaktivität: Während der Deutschlandfunk das Thema „Sterbehilfe“ debattiert, diskutiert Deutschlandradio Kultur die Frage „Künstliche Befruchtung“. Das Privatradio aber erteilt Prince das Wort: „Kiss.“
Realityrest: Monte Verità bel ami go home town ship to shore do you read or any more than ever lasting love letters in the sand – to strand in the end less little conversation.
Sonntag, 30. März 2014
Harald Martenstein spricht in seiner Tagesspiegel-Kolumne einen „Dank an Dealer und Zuhälter“. Es geht um die neue EU-Statistik zum BIP-Index. Diese berücksichtigt jetzt – neben der Prostitution – auch den geschätzten Umsatz im Rauschgifthandel und Schmuggel. Zweck: Je höher das Bruttoinlandsprodukt, desto niedriger ist die Schuldenquote der EU-Staaten. Diese Statistikfälscherei zur Verschleierung der Wirklichkeit erinnert mich an die Praxis in der DDR – bleibt die Frage, wann sie schließt.
Dienstag, 1. April 2014
„Qualifizierte Zuwanderung“, oder: kein Aprilscherz: Die Berliner Zeitung meldet unter der Überschrift „Rund 1.000 Sinti und Roma in Asylunterkünften“ die neuesten Zahlen des Landesamts für Gesundheit und Soziales. Demnach sind derzeit in Berlin 8.961 Flüchtlinge, verteilt auf 36 Asylbewerberunterkünfte. Rund 1.000 von ihnen sind Sinti und Roma; sie stellen damit mehr Asylanträge als Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Während bei letzteren die Anerkennungsquote im Asylverfahren bei etwa 99 Prozent liegt, beträgt diese beim fahrenden Volk nur 0,2 Prozent. – Während ich im Café die Nachricht lese, lungert gegenüber vor der Haustür ein Müllsammler, vermutlich Zigeuner, der nichts unversucht läßt, um in das Haus hineinzugelangen.
An anderer Stelle lese ich von einer Umfrage, derzufolge sich die Deutschen „als führende Kulturnation sehen“. Schaue daraufhin sogleich auf der Kommentarseite der Berliner Zeitung nach auf der Suche nach einem Kommentar, der diese unverbesserliche Haltung als Chauvinismus oder zumindest antiquierten Nationalismus anprangert – vergeblich.
Ein junges Punk-Pärchen, vom Bäcker kommend, schlendert vorbei. Sie: „Obwohl, ey, ich könnt’ eigentlich echt ’ne Arbeit gebrauchen.“ Darauf er – augenscheinlich irritiert.
Donnerstag, 3. April 2014
In der Berliner Zeitung kommentiert Christian Bommarius die Aufwertung der parlamentarischen Opposition im Bundestag unter dem Titel „Mehr Rechte für die Minderheit“ – ein linkes Ding, schließlich geht es hier um Grüne und Linke.
Eine Allianz für’s Überleben –in der Hauptstadtrepräsentanz des Versicherungskonzerns am Pariser Platz hat die Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit zur „8. Berliner Rede zur Freiheit“ geladen. Gast ist diesmal der niederländische Premier Mark Rutte, der in seiner kurzen, auf deutsch gehaltenen Rede allein schon durch die Rhetorik den Unterschied zu den deutschen Liberalen markiert. Als hätte es noch eines Beweises bedurft, daß die FDP am Ende doch zu oft nur eine Partei zur persönlichen Selbstbefriedigung ist, zeigt das Beispiel eines langjährigen Fraktionsgeschäftsführers, der mir zu vorgerückter Stunde mit stolzgeschwellter Brust erklärt, wieviele Flaschen – oder waren es Kisten ? – Dom Pérignon er gewonnen habe mit der Wette, daß die „Rettung“ Griechenlands mehr als 240 Milliarden Euro kosten werde – um gleichzeitig mir gegenüber zu behaupten, daß es einfach keine Alternative zu der weiteren „Eurorettung“ gebe. Diese hieße nämlich Auflösung der EU und ein Ende der europäischen Friedensordnung.
Eigentlich ist das Versagen des deutschen Liberalismus aber viel zu tragisch für solche Anekdoten.
Samstag, 5. April 2014
Im Schloßparktheater zur deutschen Erstaufführung des brillant be- wie (von Dieter Hallervorden) übersetzten Stücks „Der Lügenbaron“ (Mein bester Freund) des französischen Autors Eric Assous. In den Rollen glänzen unter anderem Harald Effenberg, Désirée Nick und insbesondere – als „Lügenbaron“ – Marko Pustišek. Es ist bezeichnend für den deutschen Kulturbetrieb, daß etwa der Deutschlandfunk an diesem Abend in seiner Sendung „Kultur heute“ die Neuinszenierung eines afroamerikanischen Theaterstückes in New York ausführlich bespricht, während mit dem Schloßparktheater wieder mal eine der vielleicht besten Bühnen Deutschlands einfach übergangen wird, weil sie als „Boulevard“ gilt – gemäß der verhängnisvollen deutschen Trennung zwischen „U“ und „E“. Dabei ist das Schauspielfach der Komik nicht selten anspruchsvoller als das im sogenannten „E“-Bereich. Insofern verwundert es nicht – und entbehrt nicht einer unfreiwilligen Ironie –, daß die letzte Erwähnung des Schloßparktheaters im Deutschlandfunk im Jahr 2012 (davor zuletzt 2004) sich den Rassismus-Vorwürfen (Stichwort „Black Face“) gegen Dieter Hallervorden und das Stück „Ich bin nicht Rappaport“ widmete. P. S. Bezeichnend für die Nichtachtung des „Boulevards“ war bei dieser Meldung auch die falsche Schreibweise des Stückes („Ich bin Rappaport“).
Sonntag, 6. April 2014
Der Deutschlandfunk sendet in der Reihe „Essay und Diskurs“ einen sehr sachverständigen Exkurs der Autorin Tanja Dückers über die Prostitution. Unter dem Foucault-Zitat „Jedes Verbot ist ein heimliches Gebot“ erläutert Dückers differenziert die aktuelle Debatte über das älteste Gewerbe der Welt – und plädiert nachvollziehbar gegen die Verbotsforderungen einer Alice Schwarzer. Dieser Text sollte für jeden Politiker, der sich mit der Thematik befaßt, Pflichtlektüre sein – allein schon wegen der komprimierten Form der Darlegung.
In der WamS ein lesenswertes Interview mit Deutschlands derzeit erfolgreichstem Dramatiker Moritz Rinke. Darin beklagt er die sehr deutsche Trennung von U- und E-Theater: In etlichen Häusern werde dieses „betrieben wie die deutsche Mülltrennung: Gelacht wird in Container U, geschwiegen, streng nachgedacht und manchmal auch sich zu Tode gelangweilt wird in Container E!“