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Geri-Gate und unser privater Rückzugsraum

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Geri-Gate und unser privater Rückzugsraum

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Seit mehr als zwei Wochen wird in der Schweiz über die Affäre um Geri Müller diskutiert. Die Medien fielen wie die Geier über den Gemeindepräsident von Baden und Grünen-Nationalrat vom Kanton Aargau her. Talkshows und zahlreiche Zeitungsaufmacher befaßten sich mit dem „Geri-Gate“. Dabei beging der Politiker keine Straftat oder Amtsmißbrauch. Unterdessen verkennen viele Journalisten und Politiker eine wichtige Frage, die mit dieser Affäre zutage befördert wurde.

Zunächst zu den Fakten: Der 54-jährige tauschte mit einer jungen Lehrerin Nacktfotos aus. Darauf seien weder Gesichter noch Details über die Orte der Aufnahmen zu sehen. Nach Angaben der Frau sollen diese aber auch direkt im Badener Amtshaus entstanden sein. Über seinen Anwalt ließ der Stadtamtmann verlautbaren, daß es sich bei diesem Kontakt „um eine rein private Angelegenheit“ handelte. Die junge Frau habe den Politiker massiv unter Druck gesetzt und damit gedroht, die Presse und die politischen Gegner zu aktivieren, sollte er ihren sexuellen Wünschen nicht weiter nachkommen. Müller handelte korrekt und informierte die Polizei erst, nachdem die Lehrerin mit Selbstmord drohte.

Die Schweiz am Sonntag machte dann schließlich den ersten Schritt in einem langen, noch immer anhaltenden Marsch gegen die Person Müller. Roger Köppel schrieb im Editorial der aktuellen Weltwoche, die Schwere der Persönlichkeitsverletzung, mit der viele Journalisten brutal gegen die Intimsphäre des 54-jährigen vorgingen, stehe in keinem Verhältnis zum aufgedeckten Skandal. „Es ist ja nicht so, daß durch den SMS-Chat verbotene Machenschaften, Straftaten oder politisch bedeutsame Erkenntnisse ans Licht gekommen wären“, schreibt der Chefredakteur weiter.

Intimsphäre in Zeiten von Wikileaks

In anderen Medien wurden freilich andere Knüppel geschwungen. Es wurde behauptet, daß die sexuellen Enthüllungen ein gewichtiges Licht auf den Charakter, insbesondere einer Amtsperson, werfen würden – wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein. Dabei nicht genug, kursierten in Baden wenige Tage nach Aufkommen der Affäre Handzettel und Witze mit anstößigen Sprüchen wie: „Was ist oben weich und unten hart? Geri Müller!“ Schließlich wurde sogar von einer Verschwörung gesprochen. Der Grünen-Politiker gilt als vehementer Gegner von Israels Politik im Gaza-Konflikt. Von Mossad bis „zionistischen Weltverschwörern“ wurde alles in Betracht gezogen.

Die eingangs erwähnte wichtige Frage, die durch diesen großen Skandal, der eigentlich nichts weiter ist als eine kleine Fußnote in der Badener Geschichte, nun aufgetreten ist, sollte das eigentliche Interesse der Medien wecken: Wie sicher ist die Privat- und Intimsphäre in Zeiten von SMS, Internet und Wikileaks noch? Sollen Personen der Öffentlichkeit, die in ihrem Job angesehen sind, aufgrund intimer Hinneigungen ihres Amtes und ihrer Arbeit enthoben werden?

Ohne Frage war das Verhalten des Politikers schlichtweg dumm. Wer ein politisches Amt ausübt, muß sich gewiß sein, daß seine politischen Gegner und Medien auf einen solchen Moment warten und ihn auch ausschlachten werden. Wer seine Seriosität als Politiker bewahren möchte, sollte ohnehin darauf achten.

Die geschützte Privatsphäre ist  Säule unserer Kultur

Nun mag es legitim sein, zu sagen, daß eine öffentliche Person, noch dazu Repräsentant einer Bevölkerungsgruppe, sich einer genauen Durchleuchtung und Veröffentlichung seiner Privatsphäre unterziehen solle. Wer dies fordert und gut findet, sollte dabei genauestens bedenken, welche Samen er damit sät.

Der Schutz der Privatsphäre, ihre Sicherung vor Staat und Öffentlichkeit, ist eine wichtige Säule unserer Kultur. Dieser Rückzugsraum, dieser kleine Schlupfwinkel, der von außen unangetastet ist, den die Linke in Achtundsechziger-Manier noch heute zu politisieren versucht. Der bedeutende englische Jurist Sir Edward Coke schrieb schon im 17. Jahrhundert: „Kein Mensch soll aufgrund von Geheimnissen seines Herzens oder seiner privat geäußerten Meinungen öffentlich untersucht und verhört werden.“ Dieses Prinzip findet sich heute im Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes, in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte sowie im Uno-Menschenrechtsabkommen. Wenn diese Säule zerbirst, finden wir uns sehr schnell in Orwells düsteren Visionen wieder.

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