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„Die Schönheit des Widerstands“

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General Tadeusz Graf Komorowski, Kampfname „Bór“ (Wald), hatte „den Knopf gedrückt“, und der Aufstand brach los. Am 1. August 1944, heute vor siebzig Jahren, erhob sich die polnische Heimatarmee in Warschau gegen die deutschen Besatzungstruppen. Ihr Ziel: Die Hauptstadt, das Zentrum der polnischen Republik, selbst zurückerobern, um der von Osten anrückenden Roten Armee zumindest symbolisch als Herr im eigenen Haus entgegenzutreten.

Die dachte bekanntlich nicht daran, der formell verbündeten Armee der polnischen Exilregierung in London waffenbrüderlich zu Hilfe zu kommen. Stalin hatte soeben in Lublin ein Komitee kommunistischer polnischer Marionetten gegründet, um nach der Eroberung Polens eine willfährige Regierung installieren zu können.

Zwei Monate lang sahen die sowjetischen Einheiten vom anderen Weichselufer aus zu, wie die nationalpolnischen Truppen aufgerieben wurde. Schon auf ihrem bisherigen Vormarsch hatten sie Offiziere und ganze Stäbe der polnischen „Heimatarmee“ im Untergrund kaltblütig liquidiert, so wie 1940 schon tausende gefangengenommene polnische Offiziere in Katyn.

Stalin verachtete die nationalpolnischen Truppen

In Warschau überließen sie die Dezimierung des nichtkommunistischen polnischen Militärs den deutschen Truppen. Nichts sollte der kommunistischen Machtübernahme im Wege stehen, schon gar keine Untergrundarmee der Londoner Exilregierung als eigenständiger Machtfaktor. Für Stalin war die 350.000 Mann starke „Armija Krajowa“ nur ein „Partisanenhaufen“, nicht einmal eine Armee. Selbst der deutsche Befehlshaber im besetzten Warschau, SS-Obergruppenführer Erich von dem Bach-Zelewski, verweigerte den tapfer kämpfenden Polen diese Anerkennung nicht und nahm am 2.Oktober 1944 General Bór-Komorowskis Kapitulation mit ritterlichem Handschlag unter Gleichen entgegen.

Zum Warschauer Aufstand veröffentlichte die FAZ am 29. Juli unter der Überschrift „Die Schönheit des Widerstands“ einen bemerkenswerten Text aus den Tagebüchern des 1949 in Danzig geborenen Schriftstellers Stefan Chwin. Der berichtet vom Dauerstreit im Elternhaus über den Warschauer Aufstand. Der Vater: Eine „unnötige Tragödie“, die Exilregierung und die Führung der Heimatarmee habe naiv und dumm die polnische Jugend sehenden Auges in den Selbstmord gehen lassen, deshalb habe Stalin es nach dem Krieg so leicht gehabt – weil Hitler „den Banditen vom NKWD nur die Arbeit abgenommen“ habe.

Die Mutter, selbst Sanitäterin im Aufstand: Wir mussten es tun. Alle brannten darauf, zu kämpfen. Und der Sohn Stefan? Der findet das Argument des Vaters, man hätte abwarten und zusehen sollen, wie die Feinde sich gegenseitig abschlachten, vernünftig, aber unattraktiv, weil „der kollektive Tod der polnischen Jugend in einem wahnsinnigen Aufstand hundertmal schöner war als das vernünftige Optieren für das Leben“.

Philister-Phrase vom „sinnlosen Sterben“

Der hohe Stellenwert, den der Warschauer Aufstand im geschichtspolitischen Bewußtsein des polnischen Volkes einnimmt, dessen heutiger Staatspräsident Bronislaw Komorowski ein Verwandter des Oberkommandierenden von 1944 ist, die Bilder der nationalen Identifikation, die er geschaffen hat, geben ihm recht. Erinnerungswürdiges entsteht, wo durch Aufopferung Grenzen überschritten werden. Wer dem Todesmut der polnischen Heimatarmee – mit vollem Recht – Respekt und Anerkennung zollt, auch und gerade unter ehemaligen Kriegsgegnern, sollte im Blick auf die eigenen Gefallenen nicht gedankenlos bei jeder Gelegenheit die Philister-Phrase vom „sinnlosen Sterben“ nachplappern.

Die „Schönheit des Widerstands“ trifft nicht nur auf die Männer des 20. Juli zu, sondern auch auf die vielen Ungenannten, die in aussichtsloser Lage tapfer kämpften und sich den Respekt der Gegner erwarben. Sie kämpften in ihrer übergroßen Mehrheit nicht für ein verbrecherisches Regime, sondern für ihre Kameraden, für ihr Land, für die Frauen und Kinder, deren Rettung im Zusammenbruch vom Halten der Front und vom Durchhalten der Truppe abhing. Die siebzigsten Jahrestage, die sich in den nächsten Wochen und Monaten häufen werden, sind ein guter Anlaß, Stefan Chwins Gedankengang auf die eigenen Vorfahren zu übertragen.

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