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Aufmerksamkeit statt Zerstörung

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Eine „Spray-Attacke“ hier, ein angezündeter Mülleimer dort. Zerstörungswut scheint ein alltägliches Phänomen in unseren Städten und Dörfern geworden zu sein. Die Kosten erreichen bundesweit jährlich hohe Millionenbeträge. Erst kürzlich las ich wieder in der örtlichen Tageszeitung, daß eine öffentliche selbstreinigende Toilette geschlossen werden mußte, weil immer wieder die Türen aufgebrochen wurden. Unweit entfernt kam es aus ähnlichen Gründen immer wieder zu einer wochenlang stillgelegten Bahnhofsrolltreppe, was für Ältere und Gehbehinderte zum Problem wurde. In den Bahnhöfen der S-Bahn-Linien wurde auch unlängst von „Spray-Attacken ohne Ende“ berichtet. Fahrstühle sind zudem massiv verdreckt, die Glasfenster zerkratzt.

Auch andernorts wird immer wieder von ähnlichen Vorgängen berichtet, von aufgeschlitzten Bussitzen, von nachts in Schwimmbecken geworfenen Mülleimern, von mit Farbe beschmierten und unbrauchbar gemachten Spielplätzen, abgetretenen Spülbecken oder umhergeschmissenen Schirmen und Stühlen auf Café-Terrassen. Eine schon oft zuvor nicht freundliche Umgebung verkommt so zur Müllkippe.

Ganz schlimm werden die Folgen, wenn sich die Zerstörungswut gegen Kulturdenkmale richtet. Wenn sie in leerstehende Villen und Schlösser eindringen und dort teils erhebliche Schäden anrichten, werden Sanierungen noch teurer für die Eigentümer. Aus anderen Gründen kommen noch die professionellen Metalldiebe aus Südosteuropa hinzu, die auch nicht davor zurückschrecken, Kirchenglocken, Regenrinnen oder öffentliche Kunstwerke zu entwenden.

Langeweile und Mangel an Lebenssinn

Ist da noch schlichter Diebstahl am Werk, so ist die Erklärung für die scheinbar grundlose Zerstörungswut Jugendlicher schwieriger. Zum einen kann die mangelnde Aufklärungsquote und womöglich zu milde Bestrafung für Schmierereien und Zündeleien angeführt werden. Doch das sagt nichts zu den Ursachen. Nur eine kleine Minderheit in Deutschland begeht derzeit Taten aus politischen oder religiösen Gründen. Hierzu kann man Attacken gegen Kirchen und Synagogen ebenso zählen wie linksradikal motivierte Anschläge, zum Beispiel gegen einige Kriegerdenkmäler. Die überwiegende Mehrheit entsteht weder aus dem Wunsch der Bereicherung, noch aus ideologischen Motiven. Auch persönliche Motive, etwa Nachbarschaftsstreit, dürften nur einen kleinen Bruchteil der Schäden verursachen.

Meist ist Langeweile die Ursache bei den meist jugendlichen Tätern. Ein Sinndefizit, das sie in unserer individualistisch ausgerichteten Gesellschaft wahrnehmen und nicht immer durch Alkohol- und Drogenkonsum oder ständiges Surfen mit dem Smartphone zu dämpfen vermögen. Dieses Sinndefizit, dem weder Eltern noch Gesellschaft ausreichend gegenarbeiten, mündet in Imponiergehabe vor der eigenen Gruppe oder dem Abreagieren angesichts von Wut und unverdauten Gefühlen. Zum Glück erfolgt dieses Abreagieren noch meist an unbelebten Objekten, gelegentlich findet es leider auch gegenüber Menschen statt, wie beispielsweise letztes Jahr in Kirchweyhe. Die Nichtverarbeitung von Gefühlen, der Mangel an Sinnvermittlung und fehlende soziale Kontrolle verbinden sich zu destruktiven Reaktionen bei denjenigen, denen nie der Weg zu konstruktiver Tätigkeit und der wahren Liebe zur Mitwelt vermittelt wurde.

Die Mittel der Gesellschaft gegen die Zerstörungslust wirken hilflos. Hier sollen ein paar Streetworker mit Jugendlichen reden, dort sollen es eingesetzte Arbeitslose richten. Ein paar Kameras werden installiert, die das Problem nur an andere Ecken drängen, während gleichzeitig Polizeistellen gekürzt werden. Wartehäuschen bleiben unverglast, Sitze werden aus Metall gefertigt statt aus Plastik.

Erziehung zur Liebe

An der Grundproblematik ändert das aber wenig. Sie hat etwas mit der Anonymität und der Entfremdung zu tun. Materieller Mangel ist den Jugendlichen unserer Überflußgesellschaft fremd, weshalb sie keinen Respekt und kein Bewußtsein für die Werte haben, die sie zerstören. Eine persönliche Beziehung zu den meist industriell gefertigten Produkten, die über fremde Institutionen in den öffentlichen Raum gepflanzt wurden, haben sie nicht. Hinzu kommen Elternhäuser, die bei der Vermittlung von Werten und dem Gefühl für Liebe beziehungsweise Achtung, auch Dingen gegenüber, versagt haben.

Könnte es andere Lösungen als die gängigen geben? Ja, aber nur längerfristig. Der Staat müßte weit mehr die Werteerziehung und Aufmerksamkeit gegenüber der Umwelt zum Stoff des Schulunterrichts machen, nicht nur bei Anti-Rassismus-Trainings. Soziale Kontrolle könnte durch eine andere Stadtplanung verstärkt werden, die anonyme Großstrukturen vermeidet und Nachbarschaft fördert. Die übermäßige und häßliche Straßenmöblierung mit Stangen, Verkehrsschildern, Plastik und Waschbetonschrott könnte problemlos verringert werden. Die häßliche, lieblos gestaltete Umwelt fördert nämlich häßliche, lieblose Verhaltensweisen.

Öffentliche Räume könnten im Gegenzug sorgfältiger, liebevoller gestaltet werden, so daß sie mehr Anerkennung und Respekt auslösen. U-Bahn-Abgänge könnten so statt mit Betonwänden oder billigen Lamellen durch Mosaikkünstler individuell gestaltet werden. Schäden müßten rasch beseitigt werden, um Nachahmungstäter nicht zu animieren.

Es gäbe viel zu tun. Das kann aber nur mit viel Einsatz und langfristigem Denken geschehen.

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