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Ribbentrop, Jünger und die kämpfenden Staaten (I)

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Im August 1939 unternahm Deutschlands Außenminister Ribbentrop einen Versuch, die intellektuellen Köpfe des Landes zu einer Denkfabrik zusammenzufassen. Mit diesem Mittel sollte eine verbesserte deutsche Europapolitik ermöglicht werden, damals noch in der Aussicht, dies unter Friedensbedingungen und als Gegenmaßnahme gegen die laufende publizistische Kriegsvorbereitung der Gegenseite tun zu können. Unter anderem Friedrich Sieburg, Carl-Erdmann Graf von Pückler-Branitz, Giselher Wirsing, Max Gross und Ernst Jünger wurden nach Schloß Fuschl eingeflogen, wo Ribbentrop persönlich einen Vortrag über die kritische außenpolitische Lage hielt.

Im Gespräch war unter anderem, daß die Eingeladenen sich einen Korrespondentenposten nach Wahl aussuchen konnten und zum Bericht über ihre Erfahrungen und Anregungen bevorzugt mit dem Auswärtigen Amt telefonieren sollten,  was wohl darauf hinauslief, den Minister auch selbst sprechen zu können. Viele sagten zu, insbesondere Gross, Wirsing und Sieburg erhielten auch tatsächlich entsprechende Stellungen und publizierten in den Kriegsjahren etliches, das in weiten Teilen subtile und bedenkenswerte Gedanken und Beobachtungen zu den Zeitläuften enthielt.

Ernst Jünger dagegen hielt weiterhin seinen distanzierten, aber nicht schroff opponierenden Kurs zum Regime und lehnte das Angebot ab. Immerhin hatte er gerade Wochen zuvor seinen fantastischen Roman „Auf den Marmorklippen“ abgeschlossen, der von manchen als die offenste Abrechnung mit dem Regime eingestuft wurde, die in der Zeit der NS-Regierung in Deutschland gedruckt wurde. Jünger selbst hielt von solchen einfachen Beurteilungen seiner schriftstellerischen Absichten nichts, und er hielt daran auch nach dem Krieg fest. Für ihn waren die „Marmorklippen“ Kunst mit zeitloser Substanz und allenfalls unbewußt politisch geworden, notierte er im Rückblick auf den Besuch bei Ribbentrop:

Denn sie wissen nicht, was sie tun

„Ich kehrte mit einer gewissen Beruhigung nach Kirchhorst zurück in der Meinung, daß eine Pokerpartie gespielt würde. So war es wohl auch beabsichtigt. Daß ich es im Grunde besser wußte, beweist mir der Text von ‘Auf den Marmorklippen’, der mich damals unter Zwang beschäftigte. Diese Erzählung gehört weniger in den Bereich der Literatur als in den der Visionen – als Beispiel für das, was man in Westfalen und auch bei uns in Niedersachsen den ‘Vorbrand’ nennt.“

Die Welt der „Marmorklippen“ geht schließlich in Krieg und Zerstörung unter, woran Pläne und Kalkulationen, Attentate und individuelle Tapferkeit nichts ändern können. Das entsprach Jüngers Sicht auf die geschichtliche Entwicklung, die er im Ersten Weltkrieg entwickelt und in der Tagebuchpublikation „In Stahlgewittern“ verarbeitet hatte. Der Krieg hatte darin keine politische Funktion. Er war ein Naturereignis, das keine eigentlich politischen Ursachen hatte, jeden Sinn aufzehrte, „mit dem man einmal ausgezogen war“ und das nicht im Rahmen von „Pokerspielen“ zu bändigen war. Dies war eine Betrachtungsweise jenseits der Deutungen der Weltkriegsära als Weltbürgerkrieg der Ideologien, Zeitalter der kämpfenden Staaten, als Endphase des imperialistischen Zeitalters oder gewöhnlichem, wenn auch außergewöhnlich umfangreichem Zufallskrieg. Sie beinhaltete die zutreffende Beobachtung, daß die Akteure des diplomatischen Spiels bei aller Raffinesse letztlich nicht wissen konnten, in welchem historischen Rahmen sie agierten. Im Rahmen von Ribbentrops Korrespondentenprojekt hätte Jünger sicher einiges beigetragen, das sich jeder politischen Deutung entzogen hätte.

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