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Minimalismus als Systemstrategie

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Das einfache Aussteiger-Leben galt einst als Zeichen des Widerstands. Man zog in die Bauwagensiedlung und verweigerte sich konsequent dem „Konsumterror“ der kapitalistischen Gesellschaft. Die Romantik des bedürfnisarmen Lebens nahe der Natur ist bis heute erhalten geblieben, doch längst ist ihre Widerständigkeit in Mitleidenschaft gezogen. So, wie schon seit langem Punk-Utensilien Teil des Vermarktungsapparates geworden sind, dürfte auch der Konsumverzicht unter bestimmten Bedingungen ins Kalkül des internationalen Kapitals passen.

Nun ist gegen eine gewisse Materialismus-Kritik gar nichts einzuwenden, denn bekanntlich ist die Anhäufung von Materie oft auch eine Kompensation für andere, ungelöste Defizite. Die Glücksgefühle durch den Kauf von Gütern sind zudem manchmal nur von geringer Dauer. Auch kann eine Reduzierung von Gegenständen in den eigenen vier Wänden durchaus positiv sein. Einst wandten sich die Anhänger der Bauhaus-Moderne polemisch gegen die düsteren, mit allerlei kunstgewerblichen Gegenständen zugestellten historistischen Interieurs und propagierten weiße Wände mit viel Licht in der Wohnung.

Heute hocken die Leute in hellen Neubauwohnungen, die längst überquellen vor angesammelten Konsumgütern. Im Gegensatz zum Schreiner- und Kunsthandwerk der historistischen Ära handelt es sich allerdings um billige Industrieware: Unmengen an Plastik- und Plüschspielzeug für die Kinder, elektronische Gerätschaften, die in zwei Jahren schon nicht mehr auf der Höhe der Zeit sind, Aktenberge, Ramschmöbel und Einrichtungs-Nippes von Ikea. Ausmistung täte also vielen gut, zumal sie dadurch mehr Überblick über das eigene Leben erhalten könnten.

Löst man die Fixierung auf die Materie ist womöglich auch ein Zuwachs an spirituellem Bewusstsein möglich. Das kann man verkürzt so ausdrücken: Statt jeden Tag ins Kaufhaus zu rennen, wäre es dem eigenen Wohl und Glück vermutlich zuträglicher, öfters einfach mal ein Buch zur Hand zu nehmen, inne zu halten und sich den Fragen der eigenen Existenz zu stellen.

Doch die aktuelle Propaganda des einfachen Lebens hat eine Schattenseite. Sie passt längst perfekt in die Strategien der „Neuen Weltordnung“. Ganz im Trend liegt derzeit der „cult of less“, ein Extrem-Minimalismus, der den eigenen Besitz auf 100 Gegenstände zu reduzieren versucht. Dies geht einher mit der Vorstellung, dass sich im Computer- und Internet-Zeitalter der Mensch ohnehin zum „Tech-Nomaden“ entwickele, der sich von den realen Dingwelt zunehmend verabschiede.

So bedarf es keiner materiellen Andenken oder Sentimentalitäten mehr, da man alles platzsparend auf dem Laptop oder iPad digital abspeichern könne. Der Trend von der CD zur Audo-Datei, vom Fotoabzug zum Bild-Datei scheint dieser Zukunftsvorstellung recht zu geben. Auch an anderen Stellen drückt sich im Minimalismus ein gewisser Überdruss an den Annehmlichkeiten der westlichen Lebensweise aus. Etwa, wenn in Reiseberichten versucht wird, der Kühle einer winterlichen japanischen Wohnung schöne Aspekte abzugewinnen.

Oder wenn sich hip wähnende Architekten hippe Wohncontainer für sich hip fühlende Mieter gestalten. Medien preisen diese Container dann als gemütliches alternatives Refugium an oder gar als „Haus der Zukunft“. Und daran könnte sogar wirklich etwas dran sein. Schließlich dürfte die Errichtung kostengünstiger Containerdörfer der auf steter Mobilität fußenden Einwanderungsgesellschaft bei der Lösung von Wohnraumproblemen logistisch helfen. Herkömmliche Bauweisen werden zunehmend zu teuer, langsam und unflexibel sein.

Deshalb stellt man in Zukunft vermutlich verstärkt Container auf, um den Raumbedarf schneller und billiger zu befriedigen. So verwandelt sich eine Kulturlandschaft auch optisch in ein Konglomerat aus Gewerbe-, Shopping- und Wohncontainern, eine Art geplante Riesen-Favela. Und so muss man sich sehr deutlich fragen, ob die Propagierung eines minimalistischen Menschentypus, der „überall und nirgends“ zu hause ist,

womöglich längst nichts mehr mit Widerstand zu tun hat, sondern völlig deckungsgleich mit dem Programm der „Einen Welt“ ist. Schließlich sollen möglichst alle Menschen sich aus ihren traditionellen kulturellen, nationalen und religiösen Bindungen lösen, um eine stets verschieb- und verfügbare Masse an Produzenten und Konsumenten zu bilden.

Und so dient der Minimalismus durchaus auch den Interessen jener globalen Eliten, die keinesfalls auf Besitz und Luxus zu verzichten gedenken. Mir ist jedenfalls nicht bekannt, dass irgendwelche Erben des amerikanischen Großkapitals auf einmal auf die Idee kommen, ihr Erspartes spenden und ihre drei Villen in Beverly Hills zu verschenken, um fortan als Minimalist mit Laptop, Kamm und Zahnbürste in einen trendigen Sperrholzcontainer zu ziehen. Ich schätze eher, dass sie sich über solche Leute kaputt lachen.

Schließlich ist klar, dass der produktive Mittelstand die Folgen der Globalisierung zu tragen haben wird. Er wird finanziell ausgepresst werden, um die Kosten für EU-Zentralisierung und Einwanderungsgesellschaft bewältigen zu können. Was läge da näher, ein daraus entstehendes Unruhepotential durch frühzeitige Gewöhnung an Konsumverzicht zu untergraben? So wird man hören, dass Armut unglaublich glücklich machen könne und dass das Eigentum – sei es zum Beispiel als Sparguthaben oder Immobilienbesitz – doch eigentlich ungerecht verteilt sei. Schließlich besäßen die deutschen Kleinbürger viel zu viel, und die einwandernden Hilfsbedürftigen so wenig.

Da wäre teilen doch einfach sozial und der christlichen Nächstenliebe geschuldet. Abgeben also ist das Gebot der Stunde, dem auch mal drohend Nachdruck verliehen werden kann. Und so könnten sich Alteingesessene und Neuzuzüge irgendwann im gemeinsamen Level eines beheizten 2-Zimmer-Container-Apartments inklusive 100 Besitzgütern treffen. Eine fürwahr neokommunistische Zukunft, mit einer kleinen Elite, die sich in ihren Villen an Kaliforniens oder Arabiens Küste die nächsten hippen Trends zu unserem und dem eigenen Wohl ausdenkt.

Und wo der Containerbewohner und Minimalist also kein echtes Widerstands-Potential mehr besitzt, sondern Teil der Beruhigungsstrategie des ökonomischen Systems wird, kann sich der wahre Aussteiger auf die Tradition besinnen: Vielleicht etwas Land kaufen, selbst mit Kartoffeln und Tomaten versorgen, ein wenig abkoppeln von den modernen Entfremdungsprozessen. 100-prozentig wird das nicht gelingen, aber der Weg ist ja das Ziel.

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