Laut Statistik kamen 2,2 Prozent weniger Besucher dieses Jahr zur Frankfurter Buchmesse (9.-13. Oktober). Einen solchen Rückgang kann man mit dem bloßen Auge eigentlich nicht feststellen – immerhin kamen insgesamt 276.000 Menschen. In Unterhaltungen meinten aber tatsächlich viele, die Veranstaltung sei schwächer als letztes Jahr besucht. Diese subjektive Empfindung läßt sich möglicherweise durch die aufgelegte Bescheidenheit der Verleger erklären.
Wenn man in vergangenen Jahren durch die Gänge lief, konnte man laufend prächtige Empfänge mit Champagner und prallen Buffets an den Ausstellerständen sehen. Nicht selten wurden Degustationen mit Spitzenweinen durchgeführt. Buchpräsentationen mit Prominenten verstopften die Gänge. Die Stimmung der diesjährigen Buchmesse war im Vergleich dazu ruhiger und nüchterner, fast melancholisch.
Schon in der Einweihung gaben sich der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Professor Dr. Gottfried Honnefelder, und Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, alles andere als euphorisch. Beide malten ein eher düsteres Bild der Zukunft des Buches und der Buchhandlungen, die sie durch die Algorithmen von Google, Amazon und Facebook bedroht sehen.
Verlage unsicher über Zukunft der Branche
Auch die Verlage selbst scheinen sehr unsicher über die Zukunft der Branche zu sein. Und so war es für den Besucher nicht einfach, neue Tendenzen im Buchmarkt zu erkennen. Gerade in den Sortimenten der Publikumsverlage in der Halle 3.0 konnten immer in den vergangenen Jahren Schwerpunkte festgestellt werden – das war dieses Jahr nicht der Fall, abgesehen vielleicht von den Reihen der Fantasy-Romane, die inzwischen von allen großen Häusern angeboten werden. Die Titel dieser Romane unterscheiden sich kaum voneinander. Entweder fällt den Verlegern nichts Neues ein oder der Markt für Fantasy-Literatur ist wirklich unersättlich.
Das bedeutet aber keineswegs, daß die Buchmesse uninteressant geworden ist. Sie spiegelt die Stimmung der Publizisten, Meinungsführer, Verleger und all derer, die Einfluß in der Öffentlichkeit haben wollen, so, wie sie ist, wider.
Es gibt natürlich auch Positives zu berichten. Besondere Freude bereitet im Bereich der katholischen Verlage die Entwicklung von „Media Maria“. Empfehlenswert sind von diesem Haus die Neuerscheinungen „Sokrates trifft Jesus“ von Peter Kreeft (original Englisch), „Hirntod – Organspende“ – eine Kritik am heute angewendeten Hirntodkriterium – von Regina Breul und Professor Wolfgang Waldstein und die Erinnerungen des letztgenannten. Unter den Biographien über den neuen Papst Franziskus I. ist die von Michael Hesemann die informativste („Papst Franziskus – Das Vermächtnis Benedikts XVI. und die Zukunft der Kirche“). Wer sich für Zeitgeschichte bzw. für Meinungsmanipulation interessiert, sollte unbedingt „Bild-Legenden“ von Hans Becker von Sothen zur Hand nehmen.
Linientreue Brasilianer, bescheiden gewordene Italiener
Dieses Jahr war Brasilien Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, was sehr große Beachtung in der Presse des lateinamerikanischen Landes fand. Die linksorientierte Regierung Dilma Roussefs gab 6,2 Millionen Euro für den Auftritt Brasiliens aus und brachte die nicht geringe Zahl von 70 Autoren nach Frankfurt. Dementsprechend linientreu waren der Gemeinschaftstand und die Vorträge und Präsentationen, die fast pausenlos auf einer der beiden Bühnen gehalten wurden.
Entsprechend erfrischend war der Auftritt einiger Aussteller, die gegen den Strom schwimmen. Hierzu zählte der „Instituto Plinio Correa de Oliveira“, der das Buch „Psicose Ambientalista“ (dt. Ökologische Psychose) von Prinz Bertrand de Orleans und Braganza, Mitglied des Kaiserlichen Hauses Brasiliens, präsentierte. Das Buch denunziert die brasilianische Umweltpolitik als rein ideologisch motiviert. Ihr Ziel sei, das Privateigentum zu schwächen und linke Gesellschaftspolitik durchzusetzen. Die Umweltpolitik sei weitgehend auf Lügen oder Übertreibungen aufgebaut.
Die Euro- und Finanzkrise hinterließ deutliche Spuren in der Halle 5.1. Gerade die Italiener traten früher mit prächtigen selbstgebauten Ständen auf. Davon war dieses Jahr nichts zu sehen, manch einer war bloß mit einem Tisch im Gemeinschaftsstand anwesend.
Markt der Meinungen und Mitspieler
Immer wieder wird von manchen die Frage gestellt, ob die Präsenz auf der Frankfurter Buchmesse notwendig sei. Die Frage ist berechtigt, denn der Kostenfaktor ist keine Lappalie. Bei der Erörterung dieser Frage sollte aber bedacht werden, daß die Buchmesse in erster Linie ein Markt der Meinungen ist. Natürlich gibt es etliche, die nur aus kommerziellen Interessen hingehen. Aber auch diese signalisieren mit ihrer Präsenz, daß ihre Botschaft – egal wie banal sie sein möge – ein Teil einer Öffentlichkeit ist, die sich anhand des geschriebenen Wortes ausdrückt. Es wäre deshalb sehr erfreulich, wenn sich mehr christlich-konservative bzw. konservative Verlage und Vereinigungen auf den Weg nach Frankfurt machen würden.