Ein besonders lieber Freund und ich kamen Anfang dieses Jahres auf die Idee, eine Art experimentellen Büchertausch durchzuführen. So gelangte eine Ausgabe der Aufsatzsammlung mit dem mehr als reißerischen Titel „Ja, Afrika muß zur Hölle gehen“, verfaßt vom britisch-slowenisch-spanischen Publizisten, Black Metal-Musiker und -Produzenten Alex Kurtagi?, in meine Hände.
Sowohl der verlegende schweizerische „Unitall“-Verlag, in dem größtenteils groteske Weltraum- und Alternativgeschichte-Schinken erscheinen, als auch die teilweise unbeholfenen Übersetzungen durch die ominösen Aktivisten „Deep Roots“ und „Kairos“ mögen auf den ersten Blick abschreckend wirken, doch steckt darunter ein in höchstem Maße aufregendes und inspirierendes Werk des Verfassers der Dystopie „Mister“.
Das Allgemeine …
Die abgedruckten Essays stammen aus libertären und/oder identitären Internetblogs wie The Occidental Quarterly und Taki’s Magazine. Kurtagi? behandelt vielfältige Themen virtuos und in einem nachgerade aufpeitschenden Duktus – einen zentralen Aspekt bilden dabei, gemäß seiner metapolitischen Zielsetzung, hochinteressante kulturanalytische Arbeiten. Den Peckinpah-Film „Straw Dogs“ (deutscher Verleihtitel: „Wer Gewalt sät“) von 1971 parallelisiert er zur fortschreitenden Feminisierung und Wehrunwilligkeit des weißen Mannes.
In der Abhandlung „Black Metal – Die Konservative Revolution in der modernen Populärkultur“ stellt er den „völkischen“, irrational-seelischen Appell in dieser nach wie vor recht untergründigen und öffentlich nicht präsenten Musikszene heraus (dies übrigens in einer Weise, die mich beim Lesen frappierend an meine eigene Auslegung von Neofolk und Martial Industrial erinnerte). Auch meinungsbildnerische Versatzstücke der modernen Tendenzjournaille („Journalistische Schwindeleien“) werden auf’s Korn genommen und mit kalter Wut seziert – hier ähnelt Kurtagi? in seinem Stil sehr dem publizistischen Scharfrichter aus Wien, Martin Lichtmesz.
… und das Eigentliche
Den mit Abstand wichtigsten und für uns bemerkenswertesten Teil jedoch nehmen Selbstreflektionen des Autors ein. An die alltagsbasierten Denkansätze aus Essays wie „Von der Virtualität zur Realität: Memoiren eines geläuterten Fernsehsüchtigen“, „Flugreisen im Kali Yuga“ und „Ich weiß Besseres mit meiner Zeit anzufangen“ kann wohl jeder Konservative, Rechte und Identitäre in ganz Europa anknüpfen. Hinzu kommen Zeugnisse der – man kann es nicht anders sagen – selbstopfernden Getriebenheit: „Warum wir schreiben“ und „Was ist mit mir geschehen?“ Gleiches können und müssen auch wir uns fragen: Was veranlaßt uns, in Zeitungen, Zeitschriften und Internetmedien gegen die übermächtige Zersetzungsarbeit an unserer Gesellschaft, unserer nationalen Identität(en) zu arbeiten? Woher nehmen wir die Zuversicht, vielleicht auch den Mut der Verzweiflung, das Gesicht in den Sturm zu drehen und uns der unbarmherzigen Verfolgung durch eine zivilcouragierte Mehrheit (Oxymoron beabsichtigt, N. W.) auszusetzen?
Man kann das alles natürlich unter dem Gesichtspunkt des „heroischen Realismus“ sehen; Jüngers Grundsatz „Nicht wofür wir kämpfen ist das Wesentliche, sondern wie wir kämpfen“ greift hier allerdings zu kurz. Denn es geht eben genau darum, wofür gekämpft wird. Darum, seine persönlichen Wahrnehmungen nicht dem politisch verordneten Doppeldenk zu unterwerfen. Darum, selbsteigen leben zu wollen und zu dürfen. Darum, sich selbst im Spiegel ansehen zu können, ohne daß einem aus angstvoll gesenkten Augen die eigene Sklavenseele entgegenspringt. Die Früchte mögen, wenn überhaupt, bitterer Lorbeer sein – doch muß für uns mit Richard Wagner gelten: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen tun.“ Das ist mitnichten l’art pour l’art; das ist der Endkampf um die persönliche wie auch die nationale Identität, in jedem Einzelnen.