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Das Kreuzzugs-System (II)

Das Kreuzzugs-System (II)

Das Kreuzzugs-System (II)

 

Das Kreuzzugs-System (II)

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Im letzten Beitrag wurde hier im Namen eines muslimischen „Anwalts der Gegenseite“ die Frage gestellt, ob man nicht von einem christlich-westlichen Kreuzzugssystem sprechen müsse, das seit 1400 Jahren durch die Welt zieht. Die Gründe für diese Ansicht wurden in lockerer Auswahl aus der Geschichte dieser Jahre gezogen. Es war der Versuch, sich in die Gegenseite hineinzuversetzen, wie er spätestens seit Lichtenbergs „Der Amerikaner, der den Kolumbus entdeckte, der machte eine schreckliche Entdeckung“ zu den Selbstverständlichkeiten gehören könnte.

Obwohl eigentlich klar ausgesprochen war, daß meiner Auffassung nach eine islamische Gefahr real ist und es sich bei der vorgetragenen Gegenargumentation a) nicht um einen objektiven, sondern um einen parteiischen Beitrag handelte, der b) auch nicht meine Meinung (und ebenso wie der heutige keine JF-Redaktionsmeinung) wiedergab, sondern die eines fiktiven Muslims, hat der Krach sich breite Bahn gebrochen. Neben etlichen niveauvollen Beiträgen war vielfach verbale Inkontinenz inbegriffen, insbesondere auf politically incorrect, wo man dem Autor ziemlich unverblümt allerhand körperliche Negativerfahrungen an den Hals wünschte. Anderorts bezeichnete man gar seine Ermordung als wünschenswert. Das ist besonders apart in einer Szene, die sich nicht genug über wirkliche und angebliche islamische Gewalt ereifern kann.

Was ist passiert?

Was passiert hier? Eine solche Explosion wegen eines Beitrags, in dem die Islamkritik nur beiläufig – und nicht einmal negativ – erwähnt worden war. Warum? Einfach nur ein schlechter Tag, alles halb so wild? Allzumenschliches Bemühen, den Platz als „Islamkritiker“ zu behaupten? Sich nichts dabei gedacht? Mir scheinen die Ursachen anderswo zu liegen. Das Problem scheint darin zu bestehen, daß die Islamkritik sich zusehends in den klassischen Mustern aus Angst, Halbwissen und politischem Willen verliert, wie man sie auch aus ganz Zusammenhängen kennt.

Da fällt zum Beispiel ständig das Stichwort der islamischen „Taqiyya“. Das bedeutet, kurz gesagt, Muslime hätten angeblich die Erlaubnis, Nichtmuslime zu belügen, zu berauben oder zu hintergehen, sich harmlos zu stellen, so lange es ihnen nützt. Das sei Teil des Djihad-Systems. Fremde sind das also und bleiben es auch, denen man nicht trauen kann und bei denen jedes Wort gelogen sein kann. Gemeint sind prinzipiell alle Moslems.

Hat man sowas in anderem Zusammenhang schon mal gehört? Klar, von Berufs wegen. Es ist ja einer der Klassiker der antijüdischen Agitation seit dem Aufkommen der antisemitischen Bewegung im 19. Jahrhundert gewesen. Die Behauptung, daß „der Eid eines Juden“ nichts wert sei, daß Juden sich als Teil ihrer Gemeinschaft gegenüber Christen weder an Gesetze, noch an Verträge noch an gegebene Ehrenwörter halten müssten, war eins ihrer zentralen Elemente. Damit hat man sich in einer damals überschaubaren und politisch eher unwichtigen Antisemitenszene so schnell so erfolgreich verrückt gemacht, daß schon vor 1900 der erste Ganzschlaue die äußersten scheinlogischen Konsequenzen zog und „die völlige Absonderung“ oder „schließliche Vernichtung“ der Juden öffentlich forderte und dies auch drucken ließ.

Befreiung, Kreuzzug?

In der Islamkritikerszene wird in abgestuften Formen zwar nicht die Ausrottung der Muslime, vielfach aber die Bekämpfung und die „Befreiung“ der Welt vom Islam als Ganzes gefordert. Das ergibt sich auch aus der Systemlogik der vorgebrachten Argumentation. Man muß deshalb gar kein „noch nicht“ dazusetzen, um abzusehen, wohin auf dieser Schiene die Reise gehen kann. Mehr als eine Milliarde Menschen ernsthaft von ihrer Kultur und ihrer Religion „befreien“ zu wollen, bedeutet nicht weniger als den Dritten Weltkrieg zu fordern.

Und ja: Befreiung, Kreuzzug? Hat man sowas nicht auch schon in anderem Zusammenhang gehört? Klar, auch von Berufs wegen. Ironischerweise lebt man selbst in einem Land, das erst Anfang des letzten Jahrhunderts Objekt eines vom Gegner als „Kreuzzug“ bezeichneten Krieges wurde. Das deutsche Volk – dem ein zweckmäßig konstruierter Antigermanismus auch die üblichen hinterhältigen und unverbesserlichen Eigenschaften andichtete – verlor dabei wesentliche Teile seines Territoriums, Millionen Leben, seine Souveränität, sein Nationalvermögen, schließlich den Glauben an sich selbst und seine Zukunft.

Das „Germany in 1950“, das agitatorische Flugblätter als Schreckgespenst eines vereinten Deutsch-Österreichisch-Ungarischen Staatswesens mit 250 Millionen Einwohnern an die Wand malten, sollte es nicht geben. Hier lief dem Antigermanismus ein weiteres Element zu, das auch heute wieder kommt: Die Angst vor demographischer Überwältigung. Die Deutschen waren damals im angelsächsischen Raum nicht nur als hinterhältig, aggressiv und unverbesserlich verschrieen, sie vermehrten sich scheinbar auch noch unaufhaltsam.

Ignorante Zuwanderungspolitik

Der Kreuzzug zur Verhinderung dieser, vor hundert Jahren zwar weit hergeholten, aber durchaus nicht irrealen Option eines 250-Millionen-Staats wurde zwar unter der Flagge „Demokratie!“ geführt, aber vom amerikanischen Parlament mit allen Elementen des Gebets gegen den angeblichen Antichristen in Berlin ausgerufen und bis zur Kapitulation durchgefochten. Und wir reden hier nicht vom Nationalsozialismus, sondern vom kaiserlichen Deutschland des Jahres 1917

Zwar goß später ein Untersuchungsausschuß des US-Kongresses allerhand Wasser in diesen Wein, als er feststellte, die Kriegserklärung von 1917 sei wesentlich auf die Machenschaften der Rüstungsindustrie zurückzuführen. Dennoch hat diese religiöse Komponente einen größeren Einfluß ausgeübt, als das normalerweise in den Darstellungen zum Tragen kommt.

So trägt die Islamkritik von heute vielfach altbekannte Züge. So nützlich es also ist, sich bestimmte Gefahren zu vergegenwärtigen, die durch eine ignorante Zuwanderungspolitik (und die eigene Geburtenverweigerung) gefördert werden, so schädlich kann es sein, sich in simplen Gedankenstrukten einer islamischen Verschwörung gegen Europa und die Welt zu verrennen. In dieser Stimmung wird man dann schon einmal vom Schwung der eigenen Agitation mitgerissen, an den man sich gewöhnt hat. Zumal jedes Nachdenken über die Perspektive des früheren oder heutigen Gegners oder über historische Realitäten schnell die heiße Luft aus dem Ballon entweichen lassen könnte.

Die Welt kennt keine Automatismen und von simplen Prinzipien getriebenen menschlichen Expansionsroboter. Kreuzzug und Djihad sind immer dort, werden dort ausgerufen, oder der Gegenseite unterstellt – wo man das nicht mehr sehen will.

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