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Chance und Scheitern

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Chance und Scheitern

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Gemeinschaften existieren unter anderem über die Vereinbarung, ihre Mitglieder zu schützen und zu versorgen. Das verhält sich mit Familien ebenso wie mit Versicherungen, Rentenkassen und Staaten. Was zur Tragik des Menschlichen gehört – Leid, Not und das konstante Versagen – soll, wenn es schon unvermeidbar ist, mindestens geregelt werden können, beispielsweise über Solidarprinzipien.

Was könnte eine Gemeinschaft besser konstituieren als die weitestgehende Garantie von „Wohlfahrt“? Das Bürgerrecht Roms, die Gefolgschaftsverhältnisse bei Kelten und Germanen, die daraus erwachsende Vasallität des Mittelalters, seine Schutz- und Trutzbündnisse, die Treueide zwischen Herr und Holdem, die Stände, Korporationen, schließlich die modernen Gesellschaftsverträge der Neuzeit, all das sicherte über verschiedene historische Ausformungen Gemeinschaftlichkeit in sich und gegenüber anderen.

Die vielfältigen Fährnisse sollten weitgehend umfriedet werden, so daß es sich damit leben läßt und Not und Schicksalsschläge gemildert werden. Ein guter Staat ist jener, in dem Bürger für Bürger sorgen. Oligarchien, Kleptokratien, überhaupt korrupte Regimes müssen dagegen über kurz oder lang mit Widerstand rechnen und funktionieren letztendlich nicht, sondern nur vorläufig.

Die Erfahrung des Scheiterns gehört zur biographischen Reifung dazu

Was aber im umgekehrten Fall, wenn eine Gesellschaft unternehmerisches und individuelles Scheitern grundsätzlich zu vermeiden sucht? Banken, die trotz gravierender Geschäftsfehler nicht zusammenbrechen durften, wursteln weiter und läutern sich in ihren Praktiken nicht unbedingt von selbst. Dauersubventionierte Bereiche florieren nicht, sondern verwalten ihre fragwürdige Weiterexistenz.

Und Abiturienten, denen man nach zweifelhafter Schullaufbahn die Prüfungsmarken immer niedriger hängt, freuen sich über ihre meist guten und sehr guten Schnitte und fluten die Universität mit Erwartungshaltungen und Lifestyle-Vorstellungen, die früher dort nichts zu suchen hatten. Das Gros der übrigen Schüler wird überhaupt nicht mehr im eigentlichen Sinne geprüft, sondern durchgewunken. Man bedenke, daß die viel zu hohe Zahl der Schulabbrecher in Deutschland keinesfalls harten Examina geschuldet ist, sondern der Null-Bock-Stimmung, die schon physische Anwesenheit als unzumutbar empfindet. Mecklenburg-Vorpommern stellt am Ende der Regionalschule Prüfungen zur „Berufsreife“ rundweg frei!

Nein, es soll hier keinen rigorosen Regularien das Wort geredet werden, aber zur biographischen Reifung gehört das Scheitern als wichtige Erfahrung. Wer scheitert, ist weder verworfen noch verloren, sondern wird an anderer Stelle entsprechend seinen Talenten erfolgreich sein können. Und selbstverständlich hat die Gesellschaft ihn aufzufangen und zu stützen. Die Grundstimmung der Antidiskriminierungsgesetze, Inklusionen von all und jedem sowie die Dauerhilfestellungen mögen ein – zweifelhafter! – humanistischer Gewinn sein, offenbaren jedoch ihre Kehrseite darin, auf Leistungsanreize zugunsten von unberechtigtem Lob und therapeutischer Dauerermutigung zu verzichten. Nein, man kann eben nicht jeden dort abholen, wo er steht, wie es die Pädagogik fordert. Manchmal muß er sich bewegen wollen, sonst entsteht ein unerquickliches Gezerre.

Das Leben aber ist draußen

Gerade die Ganztagsschule, einer der gängigsten Trostbegriffe, suggeriert die Vorstellung von einem aus der Welt gehaltenen Laboratorium, wo man hinter Glas ausprobiert, was man für das Leben hält. Das Leben aber ist draußen. Dort wären Erlebnis und Bewährung zu finden. Man stelle sich vor, der großartigen Jugendbewegung des frühen letzten Jahrhunderts wäre die Ganztagsschule als Ort für ihre Ziele angeboten worden. Welch ein Hohnlachen hätten diese kraftvollen Jungen und Mädchen angestimmt!

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