Mit einem Programm zur Internationalisierung der Hochschulen drängt die bayerische Staatsregierung Deutsch als Wissenschaftssprache weiter zurück. Im Nachtragshaushalt für 2012 hat sie dafür zusätzliche finanzielle Mittel in Höhe von vier Millionen Euro bereitgestellt. Als hauptverantwortlicher Vorkämpfer für das Englische wirkt Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch (FDP). Am 2. Mai berichtete er dem Kabinett über sein Konzept. Ziel ist es offenbar, auf Kosten des einheimischen Nachwuchses verstärkt Wissenschaftler aus dem Ausland anzulocken.
Deutsch als Hürde
Heubisch griff die Empfehlungen des sogenannten „Zukunftsrats“ auf, den die bayerische Staatskanzlei eingesetzt hat. Dieser hatte in seinem ersten Bericht für 2010 beanstandet, daß „die wichtigsten Hürden des Hochschulsystems bei der Gewinnung talentierter Studierender aus dem Ausland … in der deutschen Unterrichtssprache“ liegen. Der Rat forderte daher die „Einrichtung englischsprachiger Studienangebote in den naturwissenschaftlich-technischen Studiengängen, in der Medizin sowie in den Wirtschaftswissenschaften.“ In seinem zweiten Bericht, der im Februar dieses Jahres erschienen ist, äußert sich der Rat wesentlich zurückhaltender und stellt keine sprachpolitischen Forderungen mehr auf.
„Wir wollen es nicht aufhalten“
Doch Heubisch hat sich die ursprünglichen Forderungen des Zukunftsrats auf die Fahnen geschrieben. Freimütig bekannte er am 11. Januar 2011 in Tutzing auf dem Kolloquium „Deutsch in der Wissenschaft“, daß er der Verdrängung der deutschen Sprache tatenlos zuschauen will: „Freilich hat die Wissenschaft inzwischen bei der Internationalisierung eine Dynamik entwickelt, die sich wohl kaum noch durch politische Restriktionen aufhalten läßt und die wir auch gar nicht aufhalten wollen.“
Wie blanker Hohn wirkt daher Heubischs Vorwort in Ausgabe 2/2011 der von seinem Ministerium herausgegebenen Zeitschrift „aviso“: „Überhaupt sollten wir sprachlicher Monokultur in jeder Form entgegenwirken, die Möglichkeiten unserer Sprache ausschöpfen, ihren Wortreichtum, die vielfältigen Mittel, die Grammatik und Satzbau zur Verfügung stellen. Vielleicht dürfen wir grundsätzlich unserer Sprache auch zutrauen, daß sie sich immer neu entwickelt.“ Währenddessen arbeitet Heubisch daran, die Entwicklungsräume der deutschen Sprache weiter einzuengen.
Hochschulrektoren: nur Englisch ist falsch
Dabei hat er nicht einmal die volle Rückendeckung der Hochschulen. Am selben Tag nämlich, an dem sich das bayerische Kabinett mit der Internationalisierung der Hochschulen beschäftigte, brach der neue Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Horst Hippler, in der Welt eine Lanze für die deutsche Sprache: „Es ist falsch, wenn nur noch Englisch gesprochen wird. Deutsche Sprachqualifikation sollte früher oder später allen abverlangt werden.“ Es sei außerdem „völlig überflüssig“ gewesen, „den Titel Diplomingenieur abzuschaffen und gegen den Master of Science zu ersetzen. Wir sollten wieder den Titel Diplomingenieur verleihen, das ist ein deutsches Markenprodukt.“
Wann gibt es wieder Preise für gutes Wissenschaftsdeutsch?
Ähnlich äußert sich der Präsident des Goethe-Instituts, Klaus-Dieter Lehmann, in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift „Forschung & Lehre“. Er fordert, Deutsch als Wissenschaftssprache zu stärken. Die Beschränkung auf Englisch bedeute eine kognitive Einschränkung und schließe Laien aus. In Deutschland müßten maßgebliche Forschungsergebnisse auch auf deutsch veröffentlicht werden. Außerdem müsse über einen europäischen Index für mehrsprachige wissenschaftliche Publikationen nachgedacht werden.
Von 1994 bis 2002 vergab der Freistaat Bayern den Karl-Vossler-Preis für wissenschaftliche Werke in deutscher Sprache von literarischem Rang. Diesen Preis gibt es heute nicht mehr, weil in zu vielen Fachrichtungen nur noch auf englisch veröffentlicht wird. Die Politik der bayrischen Staatsregierung müßte darauf hinwirken, daß dieser Preis endlich wieder verliehen werden kann. Wann kommt die Wende?