Wie so oft habe ich auch dieses Jahr meinen Urlaub in Frankreich verbracht. Natürlich schätze ich Frankreich vor allem, weil es als „älteste Tochter der Kirche“ einen reichen Schatz christlicher Tradition aufweisen kann. Doch auch im modernen Frankreich von heute, das vom Gedanken der Laizität geprägt ist, gibt es einiges, was mir außerordentlich gut gefällt und mir auch für uns Deutsche nachahmenswert erscheint.
Das beginnt schon beim Radio: Schaltet man einen deutschen Sender ein, hört man englischsprachige Musik; schaltet man einen französischen Sender ein hört man französischsprachige Musik. Vor genau zwanzig Jahren hat der Sänger Dominique Ané (Künstlername „Dominique A“) mit seinem Titel „Le courage des oiseaux“ in französischer Sprache den Mut der Vögel besungen, die gegen den eisigen Wind ansingen. Hieraus entwickelte sich die mittlerweile äußerst vielschichtige Bewegung „nouvelle chançon française“.
Daß die Franzosen wieder auf Französisch singen, hat auch seinen Grund in der dortigen Radioquote; jeder Sender muß 40 Prozent französischsprachige Lieder spielen. Eine solche Quote wäre auch in Deutschland längst überfällig.
Auffallende Freundlichkeit
Doch auch wenn man den Menschen in Frankreich begegnet, fällt die Freundlichkeit auf. Muß ich in meiner bayerisch-schwäbischen Heimat Kinder und Jugendliche meist als erster grüßen und darf froh sein, wenn mein Gruß überhaupt erwidert wird, werde ich in Frankreich von wildfremden jungen Menschen auf der Straße gegrüßt. Für einen Priester ist die Anrede „mon père“ immer noch üblich, während in Deutschland nicht nur der „Hochwürden“, sondern auch der „Herr Pfarrer“ aus dem Sprachgebrauch fast verschwunden ist.
Die Franzosen begnügen sich auch beim Danken nicht mit einem simplen „merci“, sondern immer heißt es „merci, monsieur“ oder „merci, madame“. Und erst das Briefeschreiben ist in Frankreich eine wahre Kunst. Dort muß man für die Schlußgrüße (zumindest im Geschäftsbrief) lange vornehme Grußformeln beherrschen, die hier erwartet werden.
Warum sollte man alle Menschen duzen?
Auch das Beten auf Französisch ist etwas Besonderes. Das „Gegrüßet seist du, Maria“ heißt hier „Je vous salue, Marie“. Maria wird also mit „Sie“ angeredet. Vielleicht stimmt das auch den Nichtfranzosen nachdenklich. Im Gebet des Herrn gebrauchen wir nur deshalb die vertrauliche Anrede, weil Jesus selbst uns gelehrt hat, zu Gott „Abba, Vater“ zu sagen.
Warum aber sollte man alle Menschen einschließlich der kirchlichen Heiligen einfach duzen? Bei dem in dieser Woche verstorbenen Künstler Vicco von Bülow alias Loriot siezten sich sogar die beiden Männer, die gemeinsam in derselben Badewanne saßen: „Herr Müller-Lüdenscheidt“ und „Herr Dr. Klöbner“.