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Schmaler Spalt durch die Tabuzone

Schmaler Spalt durch die Tabuzone

Schmaler Spalt durch die Tabuzone

 

Schmaler Spalt durch die Tabuzone

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Sich zum Tode Osama Bin Ladens im Sinne der politischen Korrektheit korrekt zu äußern, war für diejenigen, die sich berufsmäßig zu allem äußern müssen und wollen, nicht einfach. Zwischen der Scylla des Paragraphen 140 StGB („Belohnung und Billigung von Straftaten“) und der Charybdis von Islamismus, Terrorismusverharmlosung, antiwestlicher Gesinnung und „Sonderweg“ windet sich ein schmaler Spalt durch die Tabuzone.

An der Scylla blieb Angela Merkel hängen, die es trotz ihrer glatten, flachen, an die Adresse „unserer amerikanischen Freunde“ gerichteten Phrasen schaffte, einen Hamburger Juristen durch ihre „Freude“ über die Tötung Bin Ladens derart in moralische Wallung zu versetzen, daß er durch eine Anzeige im Namen von „Menschenwürde, Barmherzigkeit und Rechtsstaat“ auf sich aufmerksam machen mußte.

Wie er darauf kommt, daß die seinerzeit für Agitation und Propaganda zuständige FDJ-Sekretärin, die nach der Wende aufs CDU-Pferd setzte und sich im Parteiapparat, wie im Osten gelernt, nach oben lavierte, als „Tochter eines christlichen Geistlichen“ – des linientreuen DDR-Pfarrers und Kirchenpolitikers Horst Kasner – christliche Werte vertreten müßte, hat er leider nicht verraten. Zudem kann man kaum so philanthropisch sein, dem Polit-Apparatschik Merkel eine Gefühlsregung wie Freude zuzutrauen, weil er ein entsprechendes „Pressestatement“ verliest.

Pierre Vogel als typologischer Gegenspieler

Der frühere Boxer und heutige Islamprediger Pierre Vogel ist ein typologischer Gegenspieler der konturlosen Karrieristin: Während sie sich darauf abgerichtet hat, durch die Benutzung möglichst neutraler Sprachhülsen nirgends anzuecken – was ihr neulich nicht ganz gelang –, donnert der breitschultrige Mensch mit den kleinen Äuglein, dem roten Bart und der konvertitentypischen Ich-gehör-dazu-Verkleidung mit Karacho gegen die Charybdis:

Ein Totengebet für Bin Laden wollte der Salafist am vergangenen Samstag in Frankfurt sprechen, sei aber „mißverstanden“ worden, ruderte zurück, nachdem seine Kundgebung „Wie erreicht man den Frieden in der Welt?“ wie sonst nur „rechtsextreme“ Veranstaltungen zunächst verboten, dann aber doch unter Auflagen und außerhalb der Innenstadt zugelassen wurde. Schließlich widmete er sich lieber dem Thema, daß der Islam nichts mit dem Terrorismus zu tun haben könne.

Der ursprüngliche Titel der Veranstaltung ist von schelmischer Doppeldeutigkeit: einerseits brav und friedfertig an die Medienöffentlichkeit gerichtet, andererseits mit einem appellativen Nebensinn für möglichst viele Glaubensbrüder angereichert, die „Islam“ gerne mit „Frieden“ (richtig ist „Unterwerfung“) übersetzen. Mit rund 400 Besuchern war sie längst nicht so gut besucht wie erwartet; das Totengebet, mit dem Vogel Bin Laden ehren wollte – weil dieser Muslim und nicht etwa weil er ein Terrorist war, wie er vermutlich gesagt hätte, so als würde er jeden anderen Muslim, der täglich irgendwo stirbt, genauso ehren – hätte seine Klientel junger und/oder frisch konvertierter Muslime womöglich stärker mobilisiert.

Gleichschaltung und Duckmäusertum

Man hätte ihn trotzdem beten lassen sollen, genauso wie Merkel ihre Presseerklärungsfreude gegönnt werden darf. Man soll jedem seine Meinung lassen und statt den „Islamismus“ – beziehungsweise konsequenten Islam – zu bekämpfen, eine andere Zuwanderungs- und Integrationspolitik betreiben. Das politische Klima in Deutschland wird bekanntlich nicht durch zuviel Meinungspluralismus, sondern durch Gleichschaltung und Duckmäusertum bedroht. Letzteres ist das noch größere Problem als die ideologische Einförmigkeit, die verglichen mit dem Zustand vor zehn, fünfzehn Jahren schon ziemlich zerbröselt ist. Selbst Merkel und der über ihre Äußerung so betroffene Hamburger Richter sind sich nicht einig, wie man sich derzeit korrekt zu äußern habe.

Wahrscheinlich hätte man einerseits, ohne juristische Andeutungen zu machen, harmlos darüber trauen müssen, daß ein Mensch „ums Leben kam“, denn der Tod auch eines „bösen Verbrechers“ sei „schlimm“, andererseits aber weder die Leistung „unserer Freunde“, deren Freude man zwar „verstehen“, jedoch nicht „gutheißen“ oder gar „teilen“ könne, schmälern noch die „religiösen Gefühle der Muslime verletzen“ dürfen, da diese vielleicht zwar über Osamas Tod „erleichtert“, womöglich aber über dessen unislamische Seebestattung erzürnt sein könnten.

Einen solchen Wortbrei, bei dem Erleichterung mit Bedenklichkeit in genau abgemessenen Dosen zu vermengen gewesen wäre, hätten wohl nur Richard von Weizsäcker oder Rita Süßmuth zurechtrühren können.

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