Warum schreibt jemand ein Buch? In erster Linie sicherlich, weil er meint, der Öffentlichkeit etwas Wichtiges mitteilen zu müssen. Doch tut es auch dem eigenen Ego gut und schließlich freut man sich auch über den Verkaufserfolg. Insofern steckt hinter jeder Veröffentlichung auch ein klein wenig Eitelkeit. Ich darf das schreiben, denn ich habe selbst ein Buch veröffentlicht.
Seit einigen Jahren kann man allerdings feststellen, daß ein immer größerer Kult um Bücher und ihre Autoren betrieben wird. So ist es heute fast unmöglich, ein Buch zu veröffentlichen, bei dem nicht zumindest auf dem Schutzumschlag ein Foto des Autors zu finden ist. Veranstaltungen wie die in wenigen Tagen beginnende Frankfurter Buchmesse werden immer mehr zum Jahrmarkt der Eitelkeiten.
Geltungsdrang eines Schriftstellers
Mit dem Geltungsdrang eines Schriftstellers hat sich bereits der Schriftsteller und Satiriker Max Beerbohm (1872–1956) in seiner Erzählung „Enoch Soames“ beschäftigt. In dieser Erzählung beobachtet der Ich-Erzähler, wie der Schriftsteller Enoch Soames einen Pakt mit dem Teufel schließt, um zu erfahren, ob er in hundert Jahren als bedeutender Schriftsteller geschätzt wird. Für einen Nachmittag wird Soames in die Zukunft versetzt und darf so am 3. Juni 1997 den Lesesaal des Britischen Museums betreten. Dort muß er allerdings lesen – und das ist der Clou der Geschichte – daß Enoch Soames nur eine fiktive Gestalt aus einer Erzählung von Max Beerbohm ist.
Hier hat nicht nur Max Beerbohm in gekonnter Weise Realität und Fiktion miteinander verknüpft; die Geschichte hat vielmehr auch noch ein Nachspiel: Mitglieder der Enoch Soames Society haben am 3. Juni 1997 tatsächlich den Auftritt ihres Idols im Britischen Museum nachgespielt. Ebenso hat diese Gesellschaft eine wissenschaftliche Monographie über das gar nicht existierende literarische Werk von Enoch Soames herausgebracht. Die Fiktion ist also Wirklichkeit geworden.
Enoch Soames hat heute zahlreiche Nachfolger gefunden. Mein Nachbarpfarrer hat kürzlich ein Buch geschrieben, das schon kurz nach Erscheinen fünf Bewertungen bei Amazon aufweisen konnte. Die Rezensenten (mir größtenteils bekannt) haben alle die höchste Punktzahl vergeben und sonst nie ein Buch rezensiert. Ein Schelm, wer hier die Redlichkeit in Zweifel zieht.
Schauplatz der Selbstbespiegelung
Immer mehr wird der Büchermarkt zum Schauplatz der Selbstbespiegelung, wenn nicht gar zur Plattform, auf der der menschliche Unterleib einschließlich Fäkalien präsentiert wird. Sonst wäre der Erfolg von Elfriede Jelinek, Michel Houellebecq oder Charlotte Roche nicht erklärbar. Hochwertige Schriftsteller wie Martin Mosebach und erst recht Botho Strauß meiden längst schon diese Orte der Selbstdarstellung und Vulgarität. Übrigens hat auch Max Beerbohm sich im Alter von nur 24 Jahren gänzlich zurückgezogen.
Und schließlich gab es einmal Männer, die überhaupt nicht nach dem Applaus der Menge geschielt haben, die sogar behaupteten ausschließlich Wahres aufgeschrieben zu haben. Sie hießen Matthäus, Markus, Lukas, Johannes und auch Paulus. Für sie war die niedergeschriebene Botschaft wichtiger als ihre eigene Person. Daher waren sie sogar bereit, zahlreiche Leiden oder gar den Tod auf sich zu nehmen. Aber das ist eine andere Geschichte.