Das Internet ist für Landtags- und Bundestagsabgeordnete (und vor allem für die Kandidaten) das ideale Medium, um für seine Partei und seine Person zu werben. Denn durch das Internet kann man kostengünstig schnell eine sehr große Anzahl von Menschen erreichen.
Oberstes Ziel eines jeden Politikers müßte es eigentlich sein, daß er seine Meinung und seine politischen Ideen und Überzeugungen einer möglichst großen Anzahl von potentiellen Wählern präsentiert. Denn wenn er diese Menschen überzeugt, ihn zu wählen, kann er Politik gestalten und Einfluß nehmen. Um so mehr stelle ich mir die Frage, warum die Plattform Abgeordnetenwatch von zahlreichen Politikern und teilweise ganzen Fraktionen gemieden wird.
Auf dieser Plattform kann man als Bürger allen Landes- und Bundespolitikern, aber auch manchen Kommunalpolitikern Fragen stellen. Es ist also eine öffentliche Kommunikation zwischen Wähler und Gewähltem möglich, bei dem andere mitlesen können. Die Fragen und die jeweiligen Antworten der Abgeordneten werden öffentlich gespeichert und sind damit jedem Interessierten zugänglich.
Sich bloß nicht festnageln lassen
Meines Erachtens sehen die meisten Abgeordneten wahrscheinlich genau darin das Problem. Die Antwort ist dauerhaft offen zu sehen und erreicht durch Abgeordetenwatch eine Multiplikationswirkung, die im Nachhinein auch negativ sein kann. Ist die Antwort inhaltlich falsch, wirft es ein schlechtes Licht auf den Abgeordneten. Denn dieser sollte nicht nur bei einer Antwort die Fakten kennen. In seiner Eigenschaft als Abgeordneter stimmt er auch in dieser Sache über Gesetze ab. Und spätestens im Bundestag sollte er wissen, worüber er abstimmt und warum er sich für oder gegen einen Gesetzesentwurf entscheidet.
Eine Bundestagsabgeordnete wollte wohl deswegen die „Überprüfung“ von Abgeordnetenwatch erreichen. Grund für eine – wie auch immer geartete – Überprüfung war für sie, daß über diese Plattform „allumfassende Fragen“ gestellt würden, die aufwendig zu beantworten seien. Kritische Bürger sind wahrscheinlich für einen Abgeordneten das schlimmste, was es gibt. Zum einen muß man als Politiker dann alle Fakten kennen, zum anderen sollte man zu dem Thema eine Meinung haben; entweder eine eigene oder zumindest die der eigenen Fraktion kennen.
Und man muß diese Meinungen gegen andere argumentativ verteidigen können. Für einen Großteil der Abgeordneten ist dies wohl ein Alptraum. Wenn – unterstellen wir mal – es Politiker gäbe, die sich mit den meisten Gesetzesentwürfen überhaupt nicht befassen und grundsätzlich mit ihrer Fraktion stimmen, dann hätten diese „Mit-der-Fraktion-Gesetzesentwürfe-Abnicker“ wirklich arge Probleme, auf Bürgerfragen zu antworten.
Zu viel Arbeitsaufwand und Datenschutz
Als Alternative kann man die Beantwortung von Fragen natürlich ablehnen und Abgeordetenwatch boykottieren. Jeder Politiker hat das Recht, Fragen nicht zu beantworten. Das Problem ist, daß man dann aber als gewählter Vertreter des Bürgers erklären sollte, warum man dies nicht tut.
An abstrusen Erklärungen daran mangelt es den Volksvertretern nicht: Man wolle seine Daten nicht im Internet „preisgeben“. Zudem wolle man aus Gründen des Datenschutzes nicht auf öffentliche Fragen öffentlich antworten. Außerdem könne der Bürger in die Bürgersprechstunde kommen oder anders auf den Abgeordneten zugehen – dafür benötige man Abgeordetenwatch nicht als Vermittler. Manche Frage sollte man nicht öffentlich beantworten. Außerdem ist das ein zu großer Arbeitsaufwand. Und am Ende müsse man sich öffentlich festlegen. Es gibt noch weitere „Argumente“ gegen das öffentliche Beantworten von Fragen.
Wahrscheinlich halten es Politiker mit all diesen Bedenken wie Spitzenpolitiker im Berliner Wahlkampf, die grundsätzlich mit der Standard-Antwort daherkamen: „Gerne möchte ich Ihnen im persönlichen Dialog antworten. Bitte senden Sie mir Ihre Frage erneut an meine persönliche Mailadresse …“ All diese Politiker vergessen aber eines: Transparenz ist wichtig für eine Demokratie. Der Bürger muß wissen, wie sein Abgeordneter abgestimmt hat und warum er das getan hat. Und der Bürger muß das Recht haben, Fragen zu stellen – über einen Weg, den er für geeignet hält.