„Verschwinde aus Coburg, du bist hier nur Gast!“ raunt mir ein circa 25 Jahre alter Mann mit Ziegenbart auf dem Coburger Marktplatz zu. „Was, wer, ich?“ denke ich, „was will der angehende Langzeitarbeitslose von mir?“ Der Typ vor mir trägt einen Rock (!) und lehnt Korporierte ab, die Band und Mütze tragen. Außerdem, so erklärt er mir, sind für ihn alle Verbindungen sexistisch, rassistisch und noch irgendwas „…istisches“.
Bemerkenswert: Ein Linker kennt eine fremde (hier: studentische) Kultur nicht, lehnt diese deswegen ab und fordert, daß alle Verbindungsstudenten aus Coburg entfernt werden. Wo ist der Unterschied zu einem Rassisten, der zum Beispiel einen Ausländer grundsätzlich nur deswegen abschieben lassen will, weil er die fremde Kultur nicht versteht und deswegen verabscheut?
Wie auch immer – ich erkläre dem Rockträger, der wohl zu lange in einer Soziologievorlesung verbracht hat, daß auch ich gebürtiger Coburger sei, und überrascht trollt sich der Typ wieder in den Pulk von Schwarzgekleideten, die auf dem Marktplatz gegen den Coburger Convent demonstrieren. Es ist ein Demonstrationszug von meist zugereisten Krawallmachern, die den Verbindungsmitgliedern mitteilen möchten, daß sie in Coburg nicht willkommen seien.
Linke Demonstration stößt in Coburg auf Ablehnung
Denn während der Pfingstfeiertage wird die oberfränkische Stadt von Hunderten von Studenten und „Alten Herren“ des Coburger Convents besucht, die hier ihren traditionellen Pfingstkongreß – dieses Jahr zum 142. Mal – abhalten und die verlängerten Öffnungszeiten der Coburger Gastwirtschaften teilweise bis zum Schluß ausnutzen.
Daß man bei den zugereisten Demonstranten wirklich nicht willkommen ist, machen diese durch Fingerzeig deutlich – nämlich durch den Mittelfinger – und der Androhung von Gewalt gegenüber allen Burschenschaft(l)ern. Daß gar keine Burschenschafter in Coburg sind, gerät hierbei zur Nebensache. Daß auch den meisten Coburger Bürgern lieber wäre, die „überwiegend friedliche“ Demo fände nicht statt, interessiert genausowenig.
Doch die Stadt hat scheinbar ein Problem mit Rechtsradikalen – zumindest wenn man einigen wenigen Stadträten Glauben schenken darf. Ein SPD-Stadtrat machte kurz vor Pfingsten darauf aufmerksam, daß bestimmte Buchstaben- oder Zahlenkombinationen von Rechtsradikalen benutzt würden. Die Stadt Coburg müsse deshalb ein „sichtbares Zeichen setzen, daß sie sich klar gegen rechtsradikale Gesinnung positioniert“.
Sein Antrag stellte darauf ab, daß keine Kfz-Kennzeichen mehr mit den Buchstabenkombinationen „AH“, „HH“, „BE“ und „BH“ und den Ziffern „18“, „25“, „28“ und „88“ ausgegeben werden sollen. Mit gesundem Menschenverstand wurde er abgelehnt und unter der Rubrik „Unsinnige Anträge“ verbucht.
„Kein Fußbreit den Faschisten!“
Nachdem ein sichtbares Zeichen gegen vermeintlich Radikale in Coburg unterblieb, wollte wenigstens ich als Demokrat noch ein Zeichen gegen Rechts setzen – und die Gelegenheit bot sich. Bei einem Volkslauf am Pfingstmontag erblickte ich eine Vierjährige beim Bambini-Lauf. Sie lief mit der Startnummer 88! Hatte der Sozi im Stadtrat nicht gesagt, die „88“ wird von Rechtsradikalen verwendet! Aber sie ist doch bestimmt erst vier Jahre alt?!
Egal, man muß früh Kante zeigen gegen Nazis! Endlich kann ich beim „Aufstand der Anständigen“ mitmachen. Sollte man der kleinen Blonden die rechtsradikale Startnummer vom rosafarbenen Prinzessin-Lillifee T-Shirt reißen und ihr „Kein Fußbreit den Faschisten!“ ins Gesicht brüllen? Wäre sogar der richtige Slogan bei so einem Volkslauf.
Aber eins hatte ich nicht bedacht – die Kleine war verdammt flink. Mein persönlicher „Kampf gegen Rechts“ mußte also aufgrund meiner mangelnden Ausdauer verschoben werden. Betroffen und wütend, daß die Radikalen wieder einmal davongekommen sind, lief ich enttäuscht den Hauptlauf zu Ende. Aber ich blieb wachsam – wo sind eigentlich die Läufer mit den Startnummern 18, 25 und 28?