Lange Zeit war ich der Meinung, daß die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) mit ihrer Studie über den Rechtsextremismus in der Mitte falsch liegt. Den Autoren ging es um die Dokumentation der Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der Normalbevölkerung. Vor allem der Zusammenhang zwischen „Rechts“ und „Mitte“ wollte sich mir nicht erschließen.
Und dann waren da diese seltsamen Analogien, die mir komisch vorkamen: Laut FES gilt als chauvinistisch (und damit als rechtsextrem), wer Mut zum Nationalbewußtsein fordert; als ausländerfeindlich, wer Deutschland für überfremdet hält. Oder gar als Antisemit, wer meint, daß Juden etwas Besonderes an sich hätten – so wie zum Beispiel Franzosen, Araber, Deutsche oder Amerikaner etwas Besonderes an sich haben.
Wenn die Welt bloß so einfach wäre, habe ich gedacht. Ich glaubte fest daran, daß die genannten Einstellungen sich zwar ganz gut mit Rechtsextremismus vereinbaren ließen, aber doch nicht in einem notwendigen Zusammenhang stünden. Darum war ich auch der Meinung, daß diese mahnende Studie Quatsch sei. Schließlich erzeugt sie ein Bild vom Durchschnittsdeutschen, der ja doch noch immer der gleiche alte Nazi ist.
Rechtsextremismus links der Mitte
Mittlerweile muß ich eingestehen, daß meine Meinung naiv war: Ich habe mich geirrt. Also muß ich mein schlechtes Bild von der FES überdenken; und mein gutes Bild von uns Deutschen sowieso. Denn daß der Geist des Rechtsextremismus nach wie vor auch in den Gemäßigten steckt, hat uns der Sozialdemokrat Matthias Will bewiesen. Der stellvertretende Pressesprecher der SPD-Bundestagsfraktion soll im Januar dieses Jahres den Hitlergruß in einer Berliner Kneipe präsentiert haben. Angeblich haben die Zeugen auch „Heil Hitler“ gehört.
Das Zeigen des Hitlergrußes ist im Allgemeinen ein gutes Indiz für Rechtsextremismus. Die Friedrich-Ebert-Stiftung würde das wahrscheinlich ähnlich sehen. Und jetzt soll bloß niemand behaupten, der bislang unauffällige SPDler hätte im Suff einen schlechten Witz gemacht. Ohnehin ist davon abzuraten, sich in Wills Nähe sehen zu lassen. Denn wer will schon was mit Rechtsextremen zu tun haben? Ob Kölner Wirte ihn jetzt wohl noch bedienen? Die haben doch kein Kölsch für Nazis.
Die Autoren der Studie über den Rechtsextremismus in der Mitte haben die Lage also weitestgehend richtig, wenn auch viel zu harmlos eingeschätzt. Wir dürfen nicht mehr vom Rechtsextremismus in der Mitte sprechen, korrekter hieße es: Rechtsextremismus links der Mitte. Und wenn die Linken schon rechts sind, wie rechts sind denn dann die Rechten? Wissen Sie, wie ich das finde? Unerträglich!