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Mißbrauchsfragen (I)

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Mißbrauchsfragen (I)

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Einige Überlegungen zur Debatte – inzwischen: Kampagne – um den Mißbrauch von Kindern in kirchlichen und privaten Bildungseinrichtungen. Damit sie in der Sache sinnvoll ist, müßten unter anderem folgende Fragen gestellt und beantwortet werden: Welche Handlungen waren tatsächlich kriminell, welche waren bloß mißverständlich – wobei noch zwischen wissentlichen und unwissentlichen zu unterscheiden wäre –, und welche erscheinen erst in medienkonditionierten Erinnerungen als solche?

Und: Wo fängt heute der Vorsatz an, auf einer Opferwelle mitzuschwimmen? Schließlich: In welchem Verhältnis steht die Zahl der Übergriffe in kirchlichen und in Privatschulen zu denen in staatlichen Einrichtungen, in Sportvereinen, Verbänden?

Hypersexualisierung im öffentlichen Raum

Im Fußballbund haben wir es gerade mit einer Schiedsrichter-Sex-Affäre unter erwachsenen Männern zu tun. Mal sehen, wann die ersten Meldungen über gemeinsame Duschorgien mit Kindern und Jugendlichen die Öffentlichkeit erreichen.
Weiter: Wie hat sich die sexuelle Revolution der 60er Jahre auf besagte Einrichtungen ausgewirkt?

Haben die demonstrativen Grenzüberscheitungen – öffentliche Kopulationen am Christopher Street Day und so weiter –, die Hypersexualisierung im öffentlichen Raum auch dort enthemmend gewirkt und die Grenzen des Schams und Anstands überspült, wo man es nicht für möglich gehalten hat? Desto schlimmer für die Kirche; historisch, soziologisch und psychologisch wäre es jedoch erklärbar.

Im Roman „Das bleiche Herz der Revolution“ von Sophie Dannenberg (alias Annegret Kunkel), der in einer Achtundsechziger-Familie spielt, werden ekelhafte Sexpraktiken an und mit Kindern geschildert; Daniel Cohn-Bendit und die Grünen haben noch vor wenigen Jahren eindeutige Vorstellungen dazu ventiliert. Die Bundesregierung stellte eine Broschüre zur frühkindlichen Sexualerziehung vor, in der es auch um Betasten und Streicheln ging, und kein Medium außer dieser Zeitung nahm daran Anstoß.

Dröhnendes Schweigen

Außer Betracht bleiben die gewandelten Ansichten über körperliche Gewalt in der Erziehung. Die Ohrfeigen, die vor 40 oder 50 Jahren unter der Verantwortung des Ratzinger-Bruders verabreicht wurden, werden mit sexueller Gewalt assoziiert. Man sollte auch genau hinschauen, wie sich die aktuellen Kritiker zum Sturmwind der Vergewaltigungen stellen, der 1945 über Deutschland dahinbrauste.

Brutal gesagt: Die tragischen Einzelfälle im mutmaßlich dreistelligen Bereich summieren sich zu keiner politisch entscheidenden Frage. Das Getöse über den Schülermißbrauch soll offenbar das dröhnende Schweigen übertönen, das die öffentlich-rechtlichen Medien sich beim Thema Euro-und-Schuldenkrise auferlegt haben, obwohl mit ihr nun wirklich die Zukunft des Landes und aller Bürger auf dem Spiel steht.

Als den Führern der Französischen Revolution klar wurde, daß sie die alles entscheidende soziale Frage – vulgo: die Ernährungsfrage – nicht lösen konnten, da entdeckten sie die Tugend. Die Guillotine nahm ihre Arbeit auf.

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