Roman Herzog war als Bundespräsident eine Enttäuschung. Er hat es immer verstanden, den Deutschen das Gefühl zu geben, jetzt ginge es richtig los. Aber dann ist gar nichts passiert.
So war es bei seinem Amtsantritt, als er versprach, „unverkrampft“ zu sein. Aber er war genauso verkrampft wie sein Vorgänger und auch nicht besser als sein Nachfolger. Später hielt er seine Berliner Rede, in der er den Ruck forderte, der aber niemals kam. „Große Schnauze, nüscht dahinter“, würden Berliner sagen, aber das verbietet sich natürlich einem Bundespräsidenten gegenüber.
Nationale Parlamente haben nichts zu sagen
Jetzt hat Roman Herzog unter der Überschrift „Die EU schadet der Europa-Idee“ wieder einen solchen „Ruck“ abgeliefert, in dem er die EU hart angreift. Es drohe ein großer politischer Scherbenhaufen, wenn sich nichts ändert. Aber während sonst jeder Quatsch gleich zur Debatte hochgejazzt wird, blieben Reaktionen auf Herzogs Provokation aus. Eigentlich schade, denn Herzog und seine zwei Co-Autoren (einer ist der frühere EU-Kommissar Fritz Bolkestein) haben mehrere wichtige Dinge beim Namen genannt:
1. Viel zu viele Gesetze werden heute in Brüssel gemacht. Die nationalen Parlamente haben nichts mehr zu sagen.
2. Das Subsidiaritätsprinzip besteht nur auf dem Papier. Die EU versucht sogar Tempolimits in Städten zu regeln oder Sozialleistungen für selbständige Frauen (für Männer, ob selbständig oder nicht, scheinen die EU-Bürokraten nichts übrigzuhaben). Übrigens erfahren wir ganz nebenbei, daß die Antidiskriminierungspolitik mächtig ausgeweitet werden soll.
3. Die EU hat deswegen die Akzeptanz der Bürger verloren.
4. Die EU-Bürokraten denken nur an die Ausweitung ihrer Macht, es wäre die Aufgabe von Parlamenten, Regierungen und Medien in den Einzelstaaten, diesem Unterfangen Einhalt zu gebieten.
5. Die Bundesregierung muß endlich lernen nein zu sagen, wenn auf EU-Ebene Dinge verhandelt werden, die die EU gar nichts angehen.
Ökologische Hirngespinste
Schwach ist Herzog bei dem Versuch, die Vorzüge der EU zu schildern, wozu er die „Einführung des Euro“ zählt. Daß wir Deutschen dabei massiv über den Tisch gezogen worden sind, scheint ihm entgangen zu sein, aber das ist ja auch kein Wunder, denn damals war er selbst in Amt und Würden – und soviel Selbstkritik wäre dann doch zuviel des Guten. Der andere Pluspunkt sei der Ausbau des Binnenmarktes, aber den gibt es ja auch schon seit 1993.
Richtig aberwitzig wird es an der Stelle, wo Herzog sich dem Hauptthema seines Aufsatzes widmet, der sogenannten Klimapolitik. Immerhin hat Herzog erkannt, daß für Wind- und Solarstrom Milliarden vergeudet werden. Andererseits spricht er sich für eine Ausweitung des Emissionshandels aus, und das wäre nun wirklich der Einstieg in die totale Ökodiktatur. Er sollte sich besser mit juristischen Fakten als mit ökologischen Hirngespinsten auseinandersetzen. Insgesamt ein lesenswerter Aufsatz, leider ohne irgendwelche Resonanz draußen im Lande. Vielleicht hätte er mehr damit erreicht, wenn er sich vor 15 Jahren diese Gedanken gemacht hätte.