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Endlich sind alle tot

Endlich sind alle tot

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Endlich sind alle tot

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Eizo, der japanische Hersteller von Röntgentechnik, präsentiert seinen Jahreskalender: Abgebildet sind dort „Models“ nur mit Stöckelschuhen bekleidet, die sich in heißen Posen räkeln. Allerdings wurden mittels Röntgenapparatur erstellt. Man sieht sozusagen „wollüstige Skelette“.

Endlich geschafft, der Körperraub ist vollkommen. Viel zu lange hat man den Todeskampf halbverhungerter „Models“ erlebt, nun sind sie endlich richtig tot, befreit von einem Körper, der ihnen schon lange nicht mehr gehörte.

Man erinnere sich an das alte Motiv vom Tod und dem Mädchen: Da tanzte der Tod, ein Skelett im schwarzen Mantel, eng umschlungen mit einer prallen jungen Frau. Sie symbolisieren Leben und Tod, ein Paar, das den Lauf der Dinge antreibt. Heute hingegen sind beide nicht mehr zu zweit, sondern zu einer Person verschmolzen.

Alle Luxusgüter hat der Westen herbeigeschafft

Das „Model“ ist zugleich Mädchen und Knochenmann, dessen Gerippe mit pergamentartiger Haut notdürftig umwickelt zu sein scheint. Dieser Eindruck läßt sich dank digitaler Bearbeitung ins Unermeßliche steigern.

Mit Schrecken erfüllen uns die Selbstgeißelungen und Entsagungen der Asketen vergangener Tage. Dabei waren die geradezu körperfreundlich im Vergleich zu dem, womit wir uns quälen. Alle Luxusgüter hat der Westen herbeigeschafft, alles steht vor unserer Nase – und alles haben wir uns vergällt.

Denn für alles hat die Überflußgesellschaft ein „gesundes“ (also kastriertes) Double kreiert: alkoholfreies Bier, entkoffeinierten Kaffee, Cola Light, fettarmen Joghurt. Wir haben Figurangst beim Essen, zahlen teures Geld für kalorienarmen Fraß.

Wir kaschieren jede Falte mit schmieriger Creme, unterwerfen uns dem Wellneßterror und verrenken die Glieder bei absurden Sportarten, bis unter der plastik-glatten Haut endlich die Knochen durchschimmern. Die hautkrebsfördernde Sonnenbank (vulgo „Asi-Toaster“) foltert die Pigmente so lange, bis die Haut zur bratwurstbraunen Pelle verfärbt. Und wenn alles fehlschlägt, führt der Weg in die schönheitschirurgische Folterkammer.

Selbstzerstörendes Attraktivitätstraining

Falls die Seele dagegen aufschreit, wird ihr mittels Psychopharmaka das Maul gestopft. Wieder einmal – wie so oft in der Geschichte – gehört der Körper nicht mehr uns, sondern wird durch Zwangsmechanismen bis zum Tod okkupiert. Völlig egal, ob man es merkt oder nicht: Dem Druck kann sich niemand entziehen.

Solche Zwangsneurose macht natürlich vor dem Eros nicht halt. Wird er als „Belohnung“ für selbstzerstörendes Attraktivitätstraining verstanden, lauert sogleich die Hölle der Pornographie. Dieses Genre, so weit verbreitet wie kein zweites, versucht mit Leistungssport, aufgespritzten und ausgepolsterten Körpern vor allem, jegliche Emotion auszutreiben. Damit schließt sich der Kreis dieser Anti-Körperkultur. Das Resultat ist ein gnostischer Ekel vor jeder Materie.

Wir beschimpfen das mittelalterliche Christentum als körperfeindlich, dabei werden künftige Generationen wohl eher das 21. Jahrhundert als das körperfeindlichste bezeichnen; beherrscht von einer Züchtigungsindustrie, die den Körper dem Nichts opferte. Dieses Nichts ließ im Eizo-Kalender endlich die letzte Hülle fallen.

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