In der Regel hat es die deutsche Sprache im Osten leichter als im Westen. Die Zahl derjenigen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, sinkt in den westlichen Ländern schneller als in den östlichen. Eine Ausnahme bilden offenbar Frankreich und die Tschechische Republik. Im Elsaß zum Beispiel gibt es kräftige sprachpolitische Maßnahmen, das Deutsche zu fördern, während die tschechische Regierung den Einfluß der deutschen Sprache zugunsten von Englisch systematisch eindämmt.
Bemerkenswert ist in beiden Fällen, daß die Frage der Identität eine entscheidende Rolle spielt. Ausgerechnet der fortgeschrittene Verlust des Bewußtseins, daß das Elsaß historisch zum deutschen Sprach- und Kulturraum gehört, ermöglicht eine Wiederbesinnung auf die deutsche Sprache. Denn die wirtschaftliche Anziehungskraft der Bundesrepublik wird nunmehr wichtiger genommen als die kulturelle Absetzbewegung nach Frankreich. In elsässischen Tageszeitungen enthalten siebzig Prozent der Stellenangebote den Hinweis, daß der Arbeitgeber Deutschkenntnisse voraussetzt.
Elsässischer Werbefeldzug für Deutsch
Folglich erklärt Philippe Richert, der Präsident des elsässischen Regionalrats: „Das Beherrschen der deutschen Sprache ist für unsere Region längst nicht mehr nur eine Identitätsfrage. Deutschkenntnisse sind ein ausschlaggebender wirtschaftlicher Trumpf.“ Zwei Drittel der elsässischen Schüler und fast alle Grundschüler der 3. bis 5. Klasse lernen Deutsch. Zehn Prozent der Grundschüler werden sogar in zweisprachigen Klassen unterrichtet. Doch das erscheint vielen noch nicht als genug. Daher werben mittlerweile die Behörden für das Lernen der deutschen Sprache. Die Mittel für den Werbefeldzug wurden von 2009 auf 2010 auf 190.000 Euro verdreifacht. Das Werben für Deutsch wird von den wichtigsten politischen Instanzen gemeinsam mit der Straßburger Schulbehörde getragen.
Ganz anders sieht es in der Tschechischen Republik aus. Die dortige Regierung will sich in ihren sprachpolitischen Entscheidungen offenbar noch weiter von Deutschland entfernen. Anfang August beschloß das Parlament auf Vorschlag des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Petr Ne?as, daß Deutsch künftig nicht mehr als erste, sondern frühestens als zweite Fremdsprache gelehrt werden darf. Der Koalitionsvertrag legt außerdem fest, daß ab 2012 Englischunterricht ab der dritten Klasse verpflichtend ist. Bereits jetzt lernen schon 618.000 Schüler Englisch, aber nur noch 111.000 Deutsch.
Deutsch als erste Fremdsprache in der Tschechei verboten
Wirtschaftliche Gesichtspunkte haben bei der Entscheidung der Prager Regierung offenbar keine Rolle gespielt, denn Deutschland ist der größte ausländische Investor. Der Handel mit der Bundesrepublik macht fast ein Drittel des gesamten Außenhandels der Tschechischen Republik aus. Die Leiterin der Spracharbeit des Prager Goethe-Instituts befürchtet, daß die tschechischen Schüler im späteren Berufsleben ohne Deutschkenntnisse Schwierigkeiten haben werden. Da erscheint es als wirtschaftlich wenig sinnvoll, die Bürger vom Deutschunterricht abzuhalten.
Es scheint also so zu sein, daß man sich in Prag lieber der Amerikanisierung an den Hals wirft, als die Standortvorteile zu nutzen, zu denen die derzeit noch verbreitete Kenntnis der deutschen Sprache gehört. Ein Leser tadelt auf der Facebook-Seite der Deutschen Sprachwelt die Prager Entscheidung: „Meines Erachtens sollte man überall in Europa Englisch als 1. Fremdsprache verbieten. Wer diese erste Fremdsprache lernt, lernt keine zweite. Es handelt sich nicht um ein Bildungsprogramm, sondern um ein Kulturassimilierungsprogramm.“