„Ich weiß nicht, wem in unserem Land auf der Straße schon einmal eine Burka begegnet ist“, sagte Maria Böhmer von der CDU in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS), die „Integrationsbeauftragte der Bundesregierung“. Ja, genau die Maria Böhmer, die ihre Protégée Aygül Özkan vom Posten der niedersächsischen Sozialministerin gern zur ersten türkischstämmigen Bundeskanzlerin befördern würde.
Frau Böhmer weiß allerdings auch sonst nicht sehr viel. Das liegt wohl daran, daß sie sich aus ihrem Integrations-Wolkenkuckucksheim lieber nicht in die banale multikulturelle Realität westdeutscher Großstädte hinabbegibt. In dem evangelischen Kindergarten, den mein Sohn besucht hat, pflegte eine der Mütter sich nur im Niqab – dem in Burka-Debatten meist mitgemeinten arabischen Ganzkörperschleier, der nur einen Sehschlitz freiläßt – in die Gesellschaft von uns Ungläubigen zu begeben.
Das Auftauchen der schwarzverhüllten Geistergestalt rief bei nichtverpackten Eltern und Erzieherinnen regelmäßig Unbehagen, Irritationen, abgewandte Blicke hervor. Der Ganzkörperschleier als radikale Selbstausgrenzung ist eine bewußte öffentliche Provokation. Fast so, als käme jemand demonstrativ in einer SA-Uniform daher: Auch das der textile Ausdruck einer totalitären, feindseligen Ideologie.
Hang zur Ganzkörperverschleierung
„Die vollständige Verhüllung von Frauen ist ein aufdringliches Bekenntnis zu Werten, die wir in Europa nicht teilen“, argumentierte denn auch die FDP-Europaabgeordnete Silvana Koch-Mehrin in ihrem Plädoyer für eine Übernahme des belgischen Burka-Verbots. Mit Werten meint sie dabei vor allem emanzipatorische Frauenrechte. Böhmer hält dagegen, die Burka-Debatte lenke von den „eigentlichen Kernproblemen der Integration“ ab, als da wären: „Daß die Gleichberechtigung von Mann und Frau, wie sie das Grundgesetz garantiert, selbstverständlich für alle Frauen in Deutschland gilt“.
Unter der Burka klingt das zumindest merkwürdig, und die Einlassung des CDU-Innenpolitikers Wolfgang Bosbach, auch das Tragen des „mobilen Gefängnisses“ (Koch-Mehrin) gehöre zur „freien Entfaltung der Persönlichkeit“, hört sich einigermaßen skurril an. Der „Zentralrat der Muslime“ immerhin haut gegenüber der FAS begeistert in dieselbe Kerbe.
Teilweise recht hätte Bosbach allenfalls, wenn der Befund tatsächlich zutrifft, daß der Hang zur Ganzkörperverschleierung vor allem eine Angelegenheit des Proselyten-Fanatismus zum Islam konvertierter Europäerinnen wäre. Dann hätte man es in der Tat zu einem gewissen Prozentsatz mit „religiösem Exhibitionismus“ (wie es der französische Islamforscher Olivier Roy in der FAS vom 16.5. ausdrückt) zu tun. Den könnte man freilich, ebenso wie den herkömmlichen sexuellen, trotzdem verbieten. Der ehemalige Verfassungsrichter Hans-Joachim Jentzsch hält der Bosbachschen Radikal-Toleranz entgegen, daß auch das Recht auf freie Persönlichkeitsentfaltung nicht unbegrenzt gelte; das Prinzip der unantastbaren Menschenwürde könne auch hierzulande ein Burkaverbot rechtfertigen.
Integration geht nur durch Assimilation
Ohne eine Entsprechung in der Einwanderungspolitik bliebe das indes doch wieder ein symbolpolitisches Herumkurieren an Symptomen. Insofern trifft ausgerechnet der Generalsekretär der Deutsch-Arabischen Gesellschaft, Harald Moritz Bock, den Punkt, der gegenüber der FAS zwar ein Burkaverbot ablehnt, weil eine analoge Anwendung des Vermummungsverbots im Versammlungsrecht ausreiche; doch wer „auf Dauer in Deutschland leben“ wolle, müsse sich den Regeln anpassen: „Das sollten wir den Leuten auch schon bei der Einreise nachdrücklich verdeutlichen.“ Der Respekt vor Gebräuchen und Religion anderer habe seine Grenzen dort, wo „unsere Lebensformen gestört werden“.
Heißt im Klartext: Integration geht nur durch Assimilation, und wer dazu nicht bereit ist, den sollte man gar nicht erst hereinlassen. Dann kann man sich auch fruchtlose Debatten wie die Auseinandersetzung um ein Burkaverbot sparen.