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Toiletten-Rassismus

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Rassismus ist wie Hepatitis B: Er wartet überall dort, wo man ihn nicht erwartet. Die Stuttgarter Nachrichten haben in ihrer Ausgabe vom 20. August eine Spielart dieses heimtückischen Virus aufgedeckt, die zum Himmel stinkt: Den schwäbischen Toiletten-Rassismus.

Der Skandal: Beim Automobilzulieferer Germa GmbH & Co. KG in Renningen (Kreis Böblingen, gleich um die Ecke von Daimler in Sindelfingen) müssen sich die 30 Hilfsarbeiter zwei allgemeine Toiletten teilen, während es für das halbe Dutzend Facharbeiter eine eigene abgeschlossene Örtlichkeit gibt. Was die Rächer von der IG Metall, die die Klage von vier Hilfsarbeitern befördert, so empört: Die Facharbeiter sind alle Deutsche, während von den 30 Hilfsarbeitern fast zwei Dutzend Türken sind.

Dem Renninger Toilettenstreit liegt ein interkulturelles Problem zugrunde. In Süd- und Südosteuropa und eben auch in Anatolien bevorzugt man statt mitteleuropäischer Sitztoiletten das „Stehklo“, bei dem man sich zur Verrichtung des Geschäfts über eine Öffnung im Boden hockt. Von dieser vertrauten Gewohnheit wollten die türkischen Kollegen offenbar nicht lassen.

Deutsche Minderheitsfraktion

Ilsetraud Natter, die Geschäftsführerin des Familienbetriebs, führt zur wohl aussichtslosen Verteidigung „viele Beschwerden“ ihrer deutschen Mechaniker und Werkzeugmacher an, „daß unsere Türken immer auf die Brille stehen“ und sich nicht so gerne hinsetzten: „Sie sollten mal sehen, wie das zwei, drei Stunden nach dem Putzen wieder aussieht.“

Klarer Fall: Die deutsche Minderheitsfraktion, die uneinsichtig auf ihren Toilettengepflogenheiten besteht, die Geschäftsführerin, die vergeblich auf die Respektierung hiesiger Sitten und Gebräuche bestand und schließlich die Toiletten-Trennung einführte – alles Rassisten. Extrawürste für die deutsche Minderheit kommen nicht in die Tüte. Daß „beim Daimler“ die Meister sich auch separate Toiletten reservieren, zu denen Lehrlinge keinen Zutritt haben, zieht nicht als Entschuldigung.

Stuttgarter Nachrichten-Reporter Alexander Ikrat hat schon eine Lösung parat: Germa solle eben „mehr in die Reinigung investieren“ und, als „Zeichen der Wertschätzung für einen Teil der Belegschaft“, eben auch ein „Stehklo“ einbauen lassen. So wie Porsche in Zuffenhausen.

Klar, wer sich integrieren muß

Wäre das dann etwa keine Diskriminierung? Konsequenter wäre es doch, die ausländerfeindlichen mitteleuropäischen Sitztoiletten ganz abzuschaffen. Für die Integration müssen schließlich alle Opfer bringen. Und wenn die türkischen Kollegen viermal mehr sind als die deutschen, ist ja wohl klar, wer sich integrieren muß.

Immerhin: Ein Anfang ist gemacht. Schwaben diskutiert endlich über die Überwindung des Toiletten-Rassismus. Im Hintergrundkasten einer großen Tageszeitung werden sorgfältig die Vor- und Nachteile von Sitz- und Stehtoilette abgewogen. In den Leserkommentaren hält sich allerdings das Verständnis für den Gewerkschaftsfeldzug in engen Grenzen. Putzfrauen und Mitarbeiter anderer Firmen mit interkultureller Belegschaft solidarisieren sich reihenweise mit ihren unbelehrbaren deutschen Germa-Kollegen.

Ein Ablenkungsmanöver vom Versagen der klüngelhaften IG-Metall-Betriebsräte, die in dem von der Wirtschaftskrise schwer gebeutelten Unternehmen betriebsbedingte Kündigungen nicht verhindern konnte, vermuten die einen.  „Arme Firma, bei 80 Prozent Umsatzeinbruch diskutieren diese Leute um ein verschlossenes WC. So wie ich das sehe, können alle bald gemeinsam auf der Wiese Pipi machen“, schreibt doch glatt ein anderer. Da liegt noch viel Aufklärungsarbeit vor uns. Der Kampf gegen den Faschismus in uns allen kennt keine Pinkelpause.

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