Nicht weniger als einen „Neuanfang in den Beziehungen zur islamischen Welt“ will US-Präsident Barack Obama einleiten, wohl wissend, daß dies „nicht über Nacht“ geschehen könne. Auf diesen Nenner kann seine mit Spannung erwartete „Grundsatzrede“ in der Universität von Kairo gebracht werden, bei der 2.500 geladene Gäste immer wieder freundlich-artig Beifall klatschen.
Angeblich teilten der Islam und die USA gemeinsame Prinzipien: „Prinzipien von Gerechtigkeit und Fortschritt, Toleranz und Menschenwürde.“ Schon diese Einschätzung bedarf des energischen Widerspruchs. Einmal ganz abgesehen davon, daß der islamischen Welt Demokratien westlichen Zuschnitts fremd sind: Wenn der Islam die Prinzipien Toleranz und Menschenwürde angeblich teilt, warum werden dann, um nur ein Beispiel zu nennen, in vielen islamischen Staaten Christen verfolgt oder die Ausübung des christlichen Glaubens unterdrückt?
Nicht nur die Anprangerung dieser Verfolgung blieb Obama schuldig, auch in vielen anderen Fragen blieb er nebulös: Es drängt sich deshalb der Verdacht auf, daß seine Rede zunächst einmal der Selbstdarstellung diente: Obama, der Brückenbauer, der Dialogstifter, der Versöhner, der Geschichtsbewußte (siehe seinen „medienwirksamen“ Besuch im ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald), der Händereicher und –schüttler – kurz: Obama, der Weltenwender …
Der vermeintliche Charismatiker bleibt unverbindlich
Dort, wo es wirklich darauf ankommt, bleibt der vermeintliche Charismatiker freilich unverbindlich. Nicht anders können seine Ausführungen zum Nahostkonflikt gedeutet werden. Hier ist die Rede davon, daß die USA „dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht den Rücken kehren“. Was heißt das konkret? Werden die USA die Forderungen der Palästinenser auch gegen den Willen Israels durchsetzen helfen?
Seit Ronald Reagan wird zum Beispiel immer wieder angekündigt, daß Israel angehalten werden soll, den Ausbau seiner Siedlungen im Westjordanland zu stoppen. Die Antwort Israels bis heute ist ein immer weiter ausgreifender Siedlungsausbau, der das Westjordanland zu einem Flickenteppich mit jüdischen Siedlungen gemacht hat. Je weiter dieser Ausbau voranschreitet, desto illusorischer wird ein eigener Palästinenserstaat.
Die Frage nach der Überlebensfähigkeit eines derartigen Staates ist damit noch gar nicht gestellt. Israel hat sich zum Beispiel die strategische Kontrolle über die Trinkwasserressourcen der Region gesichert. Was nützt ein eigener Palästinenserstaat, der auf Gedeih und Verderb von Israel abhängig ist?
Welche Konsequenzen gedenkt Obama zu ziehen?
Welche Konsequenzen gedenkt Obama zu ziehen, wenn Israel den Siedlungsausbau nicht stoppt? Wird er die umfangreichen Geld- und Unterstützungsleistungen der USA für Israel einfrieren oder gar stoppen? Keine Rede davon: Seine schlichte Auskunft lautet: „Es ist an der Zeit, daß der Siedlungsbau gestoppt wird.“ Und sein Ratschlag an die Palästinenser lautet, daß sie der Gewalt abschwören und mit friedlichen Mitteln für ihr Recht kämpfen sollten.
Nicht ganz zu Unrecht erklärte in diesem Zusammenhang Hassan Fadlallah, Hisbollah-Abgeordneter im Libanon, gegenüber der französischen Nachrichtenagentur AFP, daß die islamische und arabische Welt „keine Vorlesungen“ benötige, „sondern einen radikalen Wechsel in der Palästinenserfrage“.
Dieser freilich ist nicht einmal ansatzweise erkennbar.
Aus Israel waren bisher mit Blick auf zwei der zentralen Streitfragen des Nahostkonflikts, nämlich des Siedlungsausbaus und der Frage eines eigenen Palästinenserstaates, nur beredtes Schweigen oder belanglose Floskeln zu hören. Eindeutig aber hat die Siedlerlobby reagiert, die, so zitiert bei Spiegel-Online, Obama vorwarf, den „arabischen Lügen Priorität einzuräumen“, was auf „Kosten der jüdischen Wahrheit“ gehe.
Wohlkalkulierte Imagepflege
Unverbindlich blieb Obama auch in der Frage des iranischen Atomprogramms: Es gehe ihm darum, erklärte er, eine „nukleares Atomprogramm“ in der Region zu verhindern. Er verstehe diejenigen, die dagegen protestieren, daß einige Länder (wie Israel?) Waffen haben, die andere nicht haben. Deshalb strebe er ja nach einer atomwaffenfreien Welt. Ist das ein Argument (wenn es überhaupt ein Argument ist), das zum Beispiel den Iran oder einen anderen Staat in irgendeiner Art und Weise beeindrucken kann? Die Antwort ist geschenkt.
Wie Obama angesichts dieser komplexen Gemengelage auf die Idee kommt, daß ein „Neuanfang in den Beziehungen zur islamischen Welt“ möglich sei, bleibt wohl sein Geheimnis. Hier phantasiert sich jemand etwas zusammen, das keinen Anhaltspunkt in der Wirklichkeit hat. „Mr. Change‘s“ Rede ist deshalb im Kern nicht mehr als wohlkalkulierte Imagepflege.