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Lob der Wirtschaftskrise

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Cato, Palmer, Exklusiv

Nein, es bedarf keiner Schadenfreude, um die aktuelle Wirtschaftskrise zu bejubeln. Wer jetzt vor ökonomischer Talfahrt zittert, weiß nicht, was ihn erwartet hätte, wäre es weitergelaufen wie bisher. Zu sehr hatte man sich bereits an soziale Grausamkeiten gewöhnt. Hier noch ein Einschnitt, da noch eine Kürzung – und immer hofften die Betroffenen, diese Maßnahme wäre die letzte.

Man war ja schon einiges gewohnt: Bei 5 bis 7 Euro pro Stunde für Wohnung, Essen, Kleidung und Krankenversicherung aufzukommen. „Selbstverantwortung“, so nannten Zyniker diese Vollzeitquälerei. Und die ewig gleichgeschalteten Medien sangen chorisch mit, beteten den „freien“ Wirtschaftsterror als unausweichliches Fatum an.

Doch selbst dieses Elend war noch steigerungsfähig. Ein Beispiel? Im vergangenen Herbst fragten Politiker, ob die Künstlersozialkasse noch „zeitgemäß“ oder – nach dem Willen zahlreicher Arbeitgeber – abzuschaffen bzw. „unternehmerfreundlich“ zu reformieren sei. Eine solche Liquidierung hätte zahllose Autoren, Publizisten, Dozenten und Künstler in den Hartz-IV-Ruin getrieben. Glücklicherweise brach kurz vor der Entscheidung die Wirtschaftskrise aus, der Wahnsinn wurde (wenigstens diesmal) gestoppt.

Sadistische Zukunftsphantasie

Pünktlich zur Jahrtausendwende suhlten sich zahlreiche Ökonomen in Prognosen, die sich wie Pläne zur Weltversklavung lasen. So z.B. das „Barbaren-Manifest“ von Ian Angell, an das Karlheinz Weißmann jüngst in seinem Essay über „Post-Demokratie“ erinnerte. Eine flexible Elite fährt künftig die Goldbarren heim, der Rest darbt in Slaverei – so Angells einfache wie sadistische Zukunftsphantasie. Nicht daß er damit einen Originalitätspreis gewonnen hätte.

Zahlreiche Science-fiction-Comiczeichner ahnten das schon Jahre vorher. So zeichnete Frabrice Jarzaguet bereits Ende der 90er des vergangenen Jahrhunderts in seinem Album „Bunker Baby Doll Coka“ künftige Horrorszenarien sozialer Diskriminierung: Ghettobildung, Verweigerung medizinischer Versorgung und so weiter. Nur zeigte Jarzaguet ihren Schrecken und sehnte sie nicht herbei.

Hier rechtzeitig die Bremse gezogen zu haben, ist unbestreitbares Verdienst der aktuellen Krise. Denn anders als die Wirtschaftskrise von 1929 trifft die heutige auf eine Politik, die bankrotten Unternehmen und Kreditinstituten gigantische Hilfsleistungen gewährt. Die winseln jetzt um die Gelder, deren Kürzung für sozial Schwache noch vor einem Jahr gefordert wurde. Möge ihnen die eigene, öffentliche Demütigung lange im Gedächtnis haften.

Flow ist nur, wo Absturz droht

Ein anderes Beispiel sind die Verweise zahlreicher Politiker auf die Effizienz des „neuen“ Chinas. Dessen Wirtschaftsdiktatur, die ihren Reichtum der Ausschlachtung von Wander- und Billiglohnsklaven verdankt, erklärte man zum Vorbild. Selbst an Bewunderung fehlte es nicht. Man ahnt, was da noch auf uns zugekommen wäre …

Dem Leben jenseits sozialer Sicherheit, zum Ausplündern freigegeben, huldigte zuletzt auch eine verirrte „Glücksforschung“. Indem sie das Rezept der Risiko-Existenz auf ökonomische Dimensionen ausweitete: Flow ist nur, wo Absturz droht. Der Glücksspieler, der (Ab-)Zocker als Symbolfigur erfüllten Lebens. Statistisch belegt durch Forscher mit Festanstellung.

Um jedes Mißverständnis zu vermeiden: Es ist keineswegs erstrebenswert, Besserverdiende in die Armut zu jagen. Mögen sie mit ihren allerneuesten Handys, Blue-Ray-Disc-Playern plus Hochleistungsbeamern, Flachbildfernsehern, Drittwagen, Reisen nach Dubai und anderen schwachsinnigen Vergnügungen doch glücklich bleiben. Nur darf einem Großteil der Gesellschaft nicht das elementar Menschliche aberkannt werden.

Wirtschaftskrise als Schocktherapie

Dazu gehören Bindungen an Mitmensch und Orte, psychophysische Gesundheit, Schutz vor Demütigung und ausreichend Ruhezeit, um das eigene Leben sinnerfüllt gestalten zu können. Eine Kulturlandschaft wie die hiesige, die Hölderlin, Novalis, Caroline von Günderode, Schelling, Wagner, Heidegger und Celan hervorbrachte, sollte seiner Melancholie größere Raumzeit gönnen – und sich nicht das entstellende Dauergrinsen einer hektischen „Dienstleistungsgesellschaft“ aufbürden.

Daß die Besten, die van Goghs, die Léon Bloys, die Nietzsches, die Stirners und die Artauds ihre Qualitäten mit zehrender Armut bezahlen mußten, oder daß der bedeutende Philosoph Pierre Klossowski vor wenigen Jahren in einer elenden Pariser Sozialwohnung starb – beinah hätten wir uns daran gewöhnt. Selbst wer keine „großen Werke“ produziert, sondern nur ein reiches Innenleben besitzt, sollte seine Energie nicht ganztägig zur Herstellung von Überflußgütern vergeuden müssen.

Nein, die Welt und ihre Wirtschaft werden niemals ein menschliches Antlitz erhalten. Auch nicht nach einer globalen Krise. Sie kann, das wußte Dr. Mabuse schon Anfang der 30er Jahre, „nur mit Schrecken geläutert werden“. Möge sich die Wirtschaftskrise als eine solche Schocktherapie erweisen. Möge sie so lange und grausig wüten, daß ihr Schrecken mindestens zwei Jahrzehnte sitzt, bevor das Elend wieder von vorne beginnt.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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