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Ein Geschenk für die Kleinsten

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Der türkische Staat hat sich für seine jüngsten Mitbürger ein besonders liebes Geschenk ausgedacht: Ab nächstem Jahr bekommt jedes neugeborene türkische Kind eine E-Mail-Adresse mit zehn Gigabyte Speicherkapazität geschenkt, die dann auch gleich auf den Personalausweis gedruckt wird. Nach und nach wird jeder Türke, wenn sein Ausweis abgelaufen ist, ein solches Geschenk erhalten.

Nun könnte man meinen, dies wäre eine ziemlich knickerige Gabe, schließlich sind E-Mail-Adressen überall, etwa bei globalen Internetportalen wie Yahoo oder Google, kostenlos zu bekommen, doch läßt sich der türkische Staat dieses Geschenk für seine Neubürger sicher einiges kosten, denn die Mitarbeiter der staatlichen Internet-Technologiebehörde BTK müssen ja auch von irgend etwas leben.

Nicht „reif“ für die EU

Immerhin dient es einer guten Sache – der „nationalen Sicherheit“ natürlich, wie BTK-Chef Tayfun Acarer betont, denn bislang läuft der türkische E-Mail-Verkehr im wesentlichen über ausländische Server, deren Dienste künftig nicht mehr in Anspruch genommen werden dürfen.

Zweierlei soll mit diesem Geschenk der Türkei an ihre Bürger, das den Titel „Anaposta“ trägt, erreicht werden: Zum einen wird die „Kommunikation“ zwischen Bürgern und Behörden wesentlich „verbessert“ – bei Kontrollen kann möglicherweise gleich die gesamte elektronische Korrespondenz verfolgt werden –, und zum anderen werden ausländische Dienstleister künftig davon abgehalten, türkische Internetnutzer mit unislamischen Inhalten zu überschütten, wofür auch eine Suchmaschine sorgen wird, die etwa Beleidigungen des Propheten Mohammed herausfiltert.

Es besteht nun allerdings kein Grund, dies als Beleg dafür zu nehmen, daß Erdogans Türkei noch nicht „reif“ für die EU sei, im Gegenteil: Auch „europäische“ und zumal deutsche Politiker fordern bekanntlich immer neue Maßnahmen zur Internetzensur, die ähnlich positiv verpackt werden. Oder ist es etwa kein Geschenk an unsere Kinder, vor Kinderpornographie, oder an alle Demokraten, vor Extremismus geschützt zu werden?

Freiheit, keine E-Mail-Adresse zu besitzen

Vielleicht bekommen wir ja alle bald einen RFID („Radio Frequency Identification“)-Chip geschenkt bzw. einen kleinen „Transponder“ kostenlos am Hinterkopf implantiert, der elektromagnetische Wellen aussendet, die vom Innenministerium dekodiert und gelesen werden können. Und womöglich kann auf einer fortgesetzten Stufe die Kommunikation auch in die andere Richtung verlaufen: Das Ministerium sendet Informationen aus, die vom Bürger empfangen und sofort „verarbeitet“ werden.

Möglich ist vieles. Noch sind die Gedanken frei, wenn man sich selber welche macht, und noch hat man sogar die Freiheit, gar keine E-Mail-Adresse zu besitzen, was zumindest in der Türkei bald so unerhört sein wird wie das Ansinnen, etwa keinen Paß haben zu wollen.

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Marc Jongen, ESN Fraktion
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