Wer sich kritisch mit dem Einkommen anderer beschäftigt, steht schnell im Geruch, „Sozialneider“ zu sein. Dessen ungeachtet soll dieses Thema an dieser Stelle dennoch einmal wieder aufgenommen werden, und zwar im Zusammenhang mit der laufenden Diskussion um die Erhöhung der sowieso schon exorbitanten Gehälter der EU-Beamten. Die Europäische Kommission vertritt die Meinung, daß die stattliche Heerschar ihrer inzwischen mehr als 35.000 Beamten auf keinen Fall am Hungertuch nagen darf und deshalb eine Erhöhung von 3,7 Prozent „angemessen“ sei.
Par ordre de Mufti teilte man den Mitgliedsländern mit, daß man nicht vorhabe, eine geringere Gehaltserhöhung als eben diese 3,7 Prozent zu akzeptieren. Eine Botschaft, die in einer Zeit, da viele um ihren Arbeitsplatz zittern müssen und allerorten davon die Rede ist, daß der Gürtel enger zu schnallen ist, mit Sicherheit auf viel Verständnis stoßen wird. Schließlich müssen „die in Brüssel“ ja auch leben.
„Nach-uns-die-Sintflut“-Mentalität
Dieses naßforsche Auftreten der EU-Kommission ging einigen EU-Mitgliedsländern, darunter Deutschland, dem Hauptzahlmeister der EU, denn doch zu weit. Verwiesen wurde auf die deutlich verschlechterte soziale und wirtschaftliche Lage, die in die „standardisierten“ Berechnungen der Kommission nicht eingegangen sei. Um hier einen Eindruck von dem Einkommens-Eldorado Brüssel zu geben, vorgerechnet auf den Online-Seiten der FAZ vom 26. November: Nur die ungefähr 60 EU-Generaldirektoren verdienen pro Nase rund 17.700 Euro im Monat und damit das Doppelte, das in Deutschland ein Beamter in vergleichbarer Position erhält.
Dazu kommen üppige steuerfreie Zulagen, Reisekostenzuschüsse, Haushalts- und Kinderzulagen und manch anderes mehr. Selbst ein Neueinsteiger ohne akademischen Abschluß erhält bereits 2.250 Euro als Einstiegsgehalt. Man wird den Eindruck nicht los, daß hier eine von allen Realitäten abgekoppelte Klasse von Erwerbs-Europäern entstanden ist, die in ihrem Gebaren an den Hofstaat des Ancien régime erinnert. Selbst in Zeiten maximal angespannter Staatshaushalte wird nach der Devise „Nach uns die Sintflut“ mitgenommen, was nur mitzunehmen ist. Wer weiß schon, zu welchen Verwerfungen die Finanzkrise noch führen wird…
Die Verselbständigung einer Klasse
Die Stimmung verdunkelt sich weiter, wenn man sich vor Augen hält, was hier als „Gegenleistung“ geboten wird: Die Europäer werden mit einer Flut von fragwürdigen Verordnungen, Richtlinien und anderen Maßnahmen zur „Harmonisierung des EU-Binnenraumes“ beglückt, die die Mitgliedsstaaten schnellstens in nationales Recht umzusetzen haben. Kritik an den vielen Auswüchsen der EU-Bürokratie wird schnell und routiniert als „europafeindlicher Populismus“ abgekanzelt. Auch hier scheint wieder die Verselbständigung einer Klasse durch, die im „Raumschiff Brüssel“, umringt von beflissenen medialen Hofberichterstattern, sich selbst genügt und mit lästigen Fragen nicht mehr konfrontiert werden möchte.
Ignoranz gegenüber jeder Kritik
Nein, diese EU ist mit Sicherheit nicht Ausdruck des Willens der Mehrheit „der Europäer“, sondern einer europäischen Finanz-, Wirtschafts- und Politikelite, die als „Gesellschaftsingenieure“ drauf und dran ist, die „europäische Idee“ zu ersticken. Hier liegt wohl auch der Kern dessen, was gerne als „Europamüdigkeit“ oder „Kommunikationsproblem“ verniedlicht wird. Das arrogante Gebaren, das diese Elite, umnebelt von einer selbstreferentiellen Rhetorik, dabei an den Tag legt, erinnert an das der parfümierten Allonge-Perückenträger des bourbonischen Frankreich gegenüber den Vorzeichen der Revolution.