Hört mir auf mit der Krise. Ich kann es nicht mehr hören, das Gerede von der Wirtschaftskrise. Natürlich ist die Weltwirtschaft in erhebliche Turbulenzen geraten, von der tatsächlich einige Branchen erfaßt worden sind. Aber auf jede Rezessionsphase folgt wieder ein Aufschwung – und umgekehrt. So ist das in der Wirtschaft: Es geht auf und ab ohne Unterlaß.
Auch die jetzige Finanzmarktkrise wird ein Ende haben. Und nicht nur das Magazin Cicero ist der Meinung, daß sie bereits vorbei ist. Auch Zahlen aus der Wirtschaft zeigen, daß schon im zweiten Quartal die Trendwende eingesetzt haben könnte. Wahrscheinlich werden wir in einem Jahr über die „größte Krise seit den 70er Jahren“ nur noch lachen. War da was?
Warum also wird das Krisengerede immer weiter geschürt? Ein Grund ist, daß die politische Linke versucht ihr vergiftetes Süppchen darauf zu kochen. Das Feindbild ist der „böse Banker“ von der Wallstreet oder aus der Londoner City. Abstrakter gesprochen: Weil diese Rezessionsphase in erster Linie durch eine Finanzkrise eingeleitet worden ist, kann sie von Böswilligen mit viel Phantasie zum Argument gegen den Kapitalismus umfunktioniert werden. Gut, das setzt natürlich die Dummheit und die Vergeßlichkeit des Publikums voraus, schließlich waren Bill Clinton und die deutsche Sozialdemokratie erheblich am zustande kommen der Krise beteiligt. Aber die meisten Leute glauben ja sowieso am liebsten, was sie glauben wollen.
Hubertus Heil behauptet, der Kapitalismus sei am Ende
Es reicht, Typen wie Frank Walter Steinmeier zuzuhören, der auf ausländische Investmentbanker schimpft wie ausgemachte St-Pauli-Fans auf Bayern München. Am Sonntag hat er im ZDF-Sommerinterview gefühlte 570mal das Wort „Krise“ benutzt und gesagt: „Die Krise kommt an – in den Köpfen der Menschen.“ Dieser Gedanke bereitet ihm sichtliche Freude.
Noch besser ist sein Genosse Hubertus Heil, der tatsächlich behauptet, zwanzig Jahre nach dem Kommunismus sei jetzt auch der Kapitalismus am Ende. Als könnte die Marktwirtschaft jemals zusammenbrechen! Sie ist unbesiegbar. Selbst im Kommunismus galten ihre Regeln, auch wenn Geschäfte dort nur unter der Hand getätigt werden konnten. Angebot und Nachfrage sind immer da und werden immer das Wirtschaftsleben bestimmen, ob es der sozialistischen Internationale nun paßt oder nicht.
Ein Schlüsselerlebnis hatte ich am Sonnabend auf einem Sommerfest von linken Globalisierungsgegnern in Berlin. Ich unterhielt mich mit ein paar Freunden über die Krise, als ein Unbekannter hinzutrat und fragte, wann der jetzt der große Crash komme?!
Da kommt nichts mehr, sagte ich und wiederholte meine optimistische Auffassung, daß die Krise fürs erste vorbei ist. Ich sagte: „Die Menschen haben immer Bedürfnisse. Sie wollen DVD-Spieler haben, sie wollen Autos fahren, sie wollen ins Kino gehen und gut essen. Auf der anderen Seite wird es immer jemanden geben, der ihnen diesen Wunsch erfüllt. Dadurch wird der Wirtschaftskreislauf in Gang gehalten.
Es wird keinen großen Knall geben
Natürlich: Es kann zu vorübergehenden Versorgungsproblemen kommen, Spekulationsblasen können platzen, Währungen können zusammenbrechen und durch neue ersetzt werden. Aber insgesamt wird es keinen großen Knall geben, der uns soweit zurückwirft, daß wir demnächst im Schrebergarten selbstgezogene Kartoffeln essen müssen.“
Da schaute mich der Mann sehr traurig an. Die Vorstellung, daß es keine Massenarbeitslosigkeit und keine Hungeraufstände geben würde, gefiel ihm nicht. „Aber da muß doch noch was kommen“, flüsterte er.
Ich behaupte: Viele Leute kochen ihr ideologisches Süppchen. Das Krisengerede ist kein Selbstzweck. Es soll die Leute weichkochen für die neokommunistischen Ideen von ganz links. So wie der Mann hofft, daß die eigenen Horrorszenarien wahr werden, so knüpft er nämlich daran die Hoffnung, daß es dann zur Enteignung aller Banken und aller privaten Besitztümer kommt.
Andere Politiker verfolgen keine ideologischen Ziele, wollen aber die eigene Unfähigkeit und Unwilligkeit bemänteln. Das betrifft vor allem die vernünftigeren Elemente in der CDU/CSU und der FDP. Sie wissen, daß Schuldenmachen und Geldverplempern falsch sind, aber mit der Umverteilung ist das so wie bei einem Alkoholiker: Es ist schwer davon loszukommen. Und wenn jemand sich das Trinken fast abgewöhnt hat, dann reicht oft ein Schluck aus der Flasche, und schon ist die Sucht wieder lebendig.
Wieder ohne schlechtes Gewissen auf Pump leben
Die Bundesregierung war schon fast soweit: nämlich schuldenfrei, zumindest was den neuen Haushalt anging. Aber dann kam die „größte Krise seit den 30er Jahren“ – und plötzlich konnte wieder ohne schlechtes Gewissen auf Pump gelebt werden. Wir werden noch jahrelang hören, daß die Regierung gerne eine ausgeglichen Haushalt vorlegen würde, aber wegen der Krise…
So war es bei Schröder, der den 11. September für die Schuldenverantwortlich machte. Sein Amtsvorgänger Kohl verwies stets auf die deutsche Einheit. Und dessen Vorgänger Schmidt mußte wegen der Ölkrise leider immer mehr Schulden machen. Politiker sind immer dankbar für gute Ausreden!
Und dann gibt es Firmen, die die Krise zum Anlaß nehmen, das zu tun, was sie sowieso schon lange vorhatten: Kosten senken, was oft Entlassungen bedeutet. In Unternehmen, vor allem in Großkonzernen, wächst immer schnell ein Personalapparat, der sich beim genaueren Hinschauen als Wasserkopf entpuppt. In Behörden ist das genauso, aber da gibt es keinen Kostendruck, deswegen wird nie jemand entlassen. Aus diesem Grund gibt es so viele Beamte, die niemandem präzise sagen können, was sie eigentlich genau machen. Sie kassieren halt ihr Geld und sitzen ihre Zeit ab. Andere Beamte schaffen sich neue Arbeit, indem sie die Gesetze immer komplizierter machen, was einen immer höheren Kontrollaufwand notwendig macht.
In privaten Unternehmen geht das nicht auf Dauer. Deswegen kommt es immer mal wieder zu Entlassungen. Traurig für die Betroffenen, aber nicht zu vermeiden.
Weil Entlassungen so unpopulär sind wie ein Schweinesteak auf einer Bar Mizwa Feier, bemühen Firmenchefs jetzt die Krise. Das jüngste Beispiel ist Ikea. Wer Ikea ein wenig kennt, der sieht, daß der schwedische Möbelkonzern sowieso Personal abbauen wollte. Jetzt macht er es „wegen der Krise“. Das ist nicht überall so, aber in vielen Firmen. Andere nutzen die Kurzarbeiter um auf betrügerische Art und Weise ihre Lohnkosten zu senken. Die Beschäftigten müssen nämlich normal weiterarbeiten, aber die Allgemeinheit zahlt einen Teil ihres Lohns. Toll. Danke, Krise!
Was für eine dreiste Lüge!
Zu den Firmen, die ihre Kosten senken wollen gehört auch mein Fitneßstudio. Dort gab es bisher immer eine Tageszeitung, die ich gerne lese. Manchmal bin ich sogar extra wegen der Zeitung hingegangen. Das kostenfreie Exemplar für Mitglieder war für mich ein echter Anreiz.
Jetzt kam ich ins Studio in den Schönhauser Allee Arkaden und fand keine Zeitung mehr vor, dafür aber folgenden Hinweis: „Liebe Mitglieder, aufgrund der Krise im Zeitungsmarkt bzw. Verlagswesen, wird die FAZ ab dem 1.7.2009 nicht mehr in den gewohnten Auflagen geliefert. Damit Sie nicht ganz auf die FAZ verzichten müssen, werden jetzt täglich fünf Exemplare geliefert. Wir bitten um Ihr Verständnis.“
Was für eine dreiste Lüge! Für wie dumm halten die ihre Kunden eigentlich? Die haben einfach beschlossen ihre Kosten zu senken, indem sie weniger Exemplare anfordern, und schieben die Schuld auf die „Krise im Verlagswesen“. So als würde die FAZ weniger Exemplare drucken, weil es nicht mehr genug Papier gibt…
Was ist, wenn ich jetzt nicht mehr so oft ins Fitneßstudio gehe? Wenn ich fett und unattraktiv werde? Ist das dann auch wegen der „größten Krise seit dem Mittelalter“. Und wenn meine Freundin dann mit mir Schluß macht – ist das dann auch wegen der „größten Krise seit dem Brand von Rom“? Absurd, oder?
Und wenn wir dann keine Kinder bekommen und deswegen die Geburtenrate weiter sinkt, wird Zensursula von der Leyen dann diesen Rückschlag für ihre Bemühungen um mehr Kinder auch mit der Krise begründen? Das könnte ich mir fast schon wieder vorstellen!