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Dezembergedanken: Irrsinn auf beiden Seiten

Dezembergedanken: Irrsinn auf beiden Seiten

Dezembergedanken: Irrsinn auf beiden Seiten

Coronavirus - Demonstration gegen die Maßnahmen
Coronavirus - Demonstration gegen die Maßnahmen
Proteste gegen Corona-Maßnahmen (l) und Gegendemonstranten (r) in Hamburg Foto: picture alliance/dpa | Georg Wendt
Dezembergedanken
 

Irrsinn auf beiden Seiten

Anderthalb Jahre Corona-Regiment haben die meisten müde gemacht. Sie können die Nachrichten nicht mehr hören. Und sie können den Streit darüber nicht mehr ertragen. Es ist Zeit, verbal abzurüsten und Brücken zu bauen. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Machen Sie auch die Beobachtung, daß sich viele Menschen in ihre Häuser und Wohnungen zurückziehen? Und zwar nicht nur wegen der kürzer und kälter werdenden Tage, sondern weil sie sich von der Welt und ihrem Lärm abwenden.

Anderthalb Jahre Corona-Regiment haben die meisten müde gemacht. Sie können die Nachrichten nicht mehr hören. Und sie können den Streit darüber nicht mehr ertragen. Alle Argumente scheinen tausendfach hin und her gewendet zu sein. Man will, daß spätestens mit dem Frühling endlich der Schatten verfliegt, der sich über Land und Menschen gelegt hat.

Wenige Lautstarke dominieren den Diskurs

Schon seit längerem mache ich die Beobachtung, daß es neben dem von der Meinungsforscherin Elisabeth Noelle-Neumann beschriebenen Phänomen der Schweigespirale ein weiteres gibt. Also neben der Tatsache, daß sich eine schweigende, im Zweifel konservativ gestimmte Mehrheit einer in Medien und Politik tonangebenden linken Minderheit in strittigen Fragen ergibt, aus Angst, sich sozial zu isolieren.

Ich beobachte mindestens eine zweite Schweigespirale, die in Untergruppen und „Meinungs-Blasen“ existiert. Auch unter Lesern dieser Zeitung oder beispielsweise in der Anhängerschaft der AfD. Warum sonst kommt es oft zu Diskussionen, bei denen wenige Lautstarke einen Diskurs dominieren, während eine wachsende Mehrheit schweigt – und sich am Ende schrittweise zurückzieht?

Diese Dynamik der doppelten Schweigespirale ist beim Umgang mit der Corona-Politik mit Händen zu greifen. Ich telefonierte gerade mit dem Kabarettisten Uwe Steimle, der einen Wutsturm unter seinen Fans auslöste, nachdem er jüngst in einem Fernsehinterview bekannt hatte, sich auf Anraten seiner Tochter geimpft zu haben.

Zeit, verbal abzurüsten

Der besonders unter seinen rebellischen sächsischen Landsleuten beliebte Steimle sah sich mit haßerfüllten Vorwürfen konfrontiert. Den Grund für die Verbitterung macht Steimle aus „in der Art und Weise, wie mit uns umgegangen wird“. Irrsinn und Unversöhnlichkeit finde sich aber auf allen Seiten. Impfgegner und -befürworter müßten aufeinander zugehen. Wenn er dazu beitragen könne, Brücken zu bauen, wolle er das tun.

In welche Verzweiflung die Polarisierung Menschen stürzen kann, zeigt eine Familientragödie in Brandenburg. Ein Familienvater hat seine Ehefrau, seine drei Kinder und sich selbst erschossen, nachdem ein von ihm gefälschtes Impfzertifikat aufgeflogen war.

Es ist Zeit, verbal abzurüsten. Auf allen Seiten. Ziehen wir uns nicht zurück. Kommen wir ins Gespräch. Und besinnen wir uns wieder auf ein vernünftiges Zusammenleben.

JF 50/21

Proteste gegen Corona-Maßnahmen (l) und Gegendemonstranten (r) in Hamburg Foto: picture alliance/dpa | Georg Wendt
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