Wie kann man der Erhebung des 20. Juli 1944 (der sich im kommenden Jahr zum 75. Mal jährt), der Widerstandsgruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg gedenken, ohne sich ihrer soldatischen Bindung, ohne ihres Ethos als deutsche Offiziere zu erinnern? Ohne diesen Hintergrund bleibt ihre Tat unverständlich.
Karsten Hansen, Sohn des am 8. September 1944 hingerichteten Widerstandskämpfers Georg Alexander Hansen, bekräftigt im Gespräch mit der JF, nicht nur Widerstandskämpfer, sondern auch „jeder Soldat, der untadelig gekämpft hat“, sei ein Held, an den in Würde zu erinnern sei. Hansen, wie sein am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichteter Vorgänger als Abwehr-Chef, Admiral Wilhelm Canaris, oder der am 9. April 1945 in Sachsenhausen hingerichtete Hans von Dohnanyi, von dessen Sohn wir eine Rede zum 20. Juli in dieser Ausgabe dokumentieren, waren Teil einer besonderen Keimzelle des militärischen Widerstandes.
Henning von Tresckow, engster Mitstreiter Stauffenbergs, meinte gegenüber einem Offizier 1941, weshalb das Äußerste gewagt werden müsse: Sonst habe „Deutschland seine Ehre verloren“, die Folgen der Verbrechen würden sich andernfalls „in Hunderten von Jahren noch auswirken“. Für sie war ein Ehrbegriff verletzt, der religiös-ethisch begründet war, vor allem aber gekoppelt an die Nation, der man sich schicksalhaft verbunden sah und deren Untergang abzuwenden sei.
Kaum Interesse für Flandern-Gefallene
Am 20. Juli wird die Bundeswehr im Bendlerblock wieder, abgeschirmt von der Öffentlichkeit, an die Helden des Widerstandes erinnern. Ist unsere Regierung, unsere militärische Führung heute noch in der Lage, an ein deutsches Ehrgefühl zu appellieren, wenn man sich des Deutschseins schämt, lieber Europäer oder Weltbürger sein möchte? Kann man den Grundinstinkt wachrufen, sein Leben für die eigene Gemeinschaft einzusetzen, wenn wir uns gar nicht mehr als Nation empfinden sollen – vielmehr als zufällig zusammengewürfelter und jederzeit kündbarer Club in Mitteleuropa ohne Zugangsbeschränkung, der sich Bundesrepublik nennt?
In Flandern wird seit 2015 im Rahmen einer privaten Initiative bei Wijtschaete ein verschüttetes, fast unversehrtes gigantisches Grabensystem aus dem Ersten Weltkrieg erschlossen. Dutzende freiwillige Helfer aus den Nationen der ehemaligen Kriegsgegner bergen Überreste Hunderter vermißter Soldaten und legen ein „Pompeji des Ersten Weltkriegs“ frei, wie es der leitende Archäologe laut FAZ nennt.
Während dort regelmäßig Vertreter der ehemaligen Westalliierten die Ausgrabung besichtigen, gibt es aus Deutschland kaum Interesse. Werden identifizierte Gefallene bestattet, nehmen regelmäßig Angehörige ihrer Familien teil – sofern der Tote ein Soldat der Westalliierten war. Sei es ein Deutscher, komme niemand. Dies sollte uns eigentlich ins Herz treffen.
JF 30/18