Eine Woche nach der Bundestagswahl beginnt sich die Republik neu zu sortieren. Allmählich rastet das Bewußtsein einer neuen politischen Arithmetik ein, die von künftig sechs statt bislang vier Fraktionen im Bundestag bestimmt wird. Durch das neue Gefüge der Kräfte, die auf die Willensbildung der politischen Mitte des Landes einwirken, entsteht ein neuer Kurs, ein neuer Diskurs. Die Diskussion ist nicht länger überwiegend eine linke Einbahnstraße, der Chor wird endlich vielstimmiger, pluralistischer.
Im Bundestag selbst kann beobachtet werden, wie schwer es alten Platzhirschen fällt, den Neuen den Platz einzuräumen, der ihnen von den Wählern in freier Abstimmung zugemessen wurde. Da sollen doch AfD-Abgeordnete tatsächlich auch im Parlament Platz nehmen – nun spielt sich ein Eiertanz darum ab, neben wem das nun der Fall sein soll.
Es kann nicht bei atmosphärischen Anpassungen bleiben
Dann steht der drittstärksten Fraktion ein Posten des Vizepräsidenten des Bundestages zu – auch der wird ihnen aus erzieherischen Gründen wahrscheinlich erst nach mehreren Wahlgängen zugebilligt werden. All das ist offenbar ein unvermeidliches Ritual, Achtung muß erst zäh erstritten werden – aber die Bürger werden genau registrieren, wenn Unfairneß am Werke ist und ständig doppelte Standards gelten.
Auch wenn die AfD bis auf weiteres Oppositionsbänke drücken wird, so können ihre Wähler beobachten, wie ihr Erdrutschergebnis Wirkung zeigt: Besonders im Osten fordern CDU-Ministerpräsidenten wie Tillich (Sachsen) und Haseloff (Sachsen-Anhalt) Korrekturen. In der Frage der massenhaften illegalen Einwanderung wird es sich schwerlich durch lediglich atmosphärische Anpassungen machen lassen.
Es müßten hier harte politische Entscheidungen fallen und im Alltag sichtbar werden: mehr Abschiebungen, schärfere Grenzkontrollen und weitere Einschränkungen des Asylrechts. Als die rechtskonservativen Republikaner 1992 mit 10,9 Prozent in den Landtag von Baden-Württemberg einzogen, kam es nur wenige Monate später mit dem Asylkompromiß zu einer nachhaltigen Verschärfung der Rechtslage.
Durch „Jamaika“ wächst das Gewicht einer alternativen Opposition
Ob diese Entscheidungen mit einer Jamaika-Koalition gefällt werden können, ist äußerst fraglich. Bei der Frage der „Obergrenze“ sind schon die Unionsparteien gespalten. Hinter den Grünen stehen schließlich die radikalen „No border“-Lobbygruppen, die noch mehr Einwanderung fordern. Damit wächst das Gewicht einer alternativen Opposition.
Durch die Einbindung der FDP in die Regierung fällt diese Rolle alleine der AfD zu. Wenn nicht SPD und Linke ihre einwanderungspolitischen Vorstellungen grundlegend revidieren. Zumindest ein Nachdenken hat hierzu eingesetzt, dies zeigen jüngste Äußerungen von Andrea Nahles und Oskar Lafontaine. Die Nachdenklichkeit wird nach den Nationalratswahlen in Österreich sicher noch zunehmen …
JF 41/17