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Streiflicht: Türken lassen nicht mit sich spaßen

Streiflicht: Türken lassen nicht mit sich spaßen

Streiflicht: Türken lassen nicht mit sich spaßen

Merkel und Erdogan
Merkel und Erdogan
Bundeskanzlerin Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara Foto: picture alliance / dpa
Streiflicht
 

Türken lassen nicht mit sich spaßen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ den deutschen Botschafter wegen eines Satire-Liedes einbestellen. Wer es nicht schafft, nationale Grenzen zu sichern, und diese Aufgabe anderen Ländern überträgt, macht sich eben erpreßbar. Und das war erst der Anfang. Ein Kommentar von JF-Chefredakteur Dieter Stein.
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Eigentlich wäre es zum Lachen – dann doch wieder nicht. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ließ von seinem Außenministerium den deutschen Botschafter „einbestellen“. Grund: ein Lied, das die Satireredaktion „Extra 3“ des Norddeutschen Rundfunks (NDR) über den Möchtegern-Potentaten vom Bosporus veröffentlicht hatte. Nicht ungeschickt wird Erdoğan wegen seiner Großspurigkeit und seiner permanenten Eingriffe in Grundrechte durch den Kakao gezogen.

Im Lied „Erdowie, Erdowo, Erdoğan“ gibt es eine Schlüsselstelle. Bundeskanzlerin Angela Merkel nimmt bei einem Staatsbesuch vergangenen Herbst in Erdogans gigantomanischer Istanbuler Residenz auf einem barocken, goldenen Sessel Platz. Erdoğan selbst bleibt stehen und läßt die deutsche Regierungschefin, die im Sessel regelrecht versinkt, wieder aufstehen zum demonstrativen Händeschütteln. Der Liedtext dazu treffend: „Sei schön charmant, er hat dich in der Hand“.

Rückblick auf eine imperiale Geschichte

Und so sieht es aus, wenn wir auf die Asylkrise blicken, bei der sich Deutschland und die EU in die Hand Ankaras begeben, weil vor allem Deutschland sich nicht dazu durchringen will, die Sicherung seiner Außengrenzen selbst in die Hand zu nehmen. Die Humorlosigkeit des türkischen Präsidenten ist jedoch die Kehrseite eines nationalen Stolzes, der uns weitgehend abhanden gekommen ist.

Die Türkei blickt auf eine imperiale Geschichte zurück; der Niedergang des Osmanischen Reiches und die Versuche der Zerschlagung der Türkei nach dem Ersten Weltkrieg sind im kollektiven Gedächtnis präsent – die Rolle der Armee und die nationale Souveränität an den geopolitischen Schnittlinien des Nahen Ostens steht im Mittelpunkt des politischen Bewußtseins.

Hochgradig erpreßbar

Über die Osterfeiertage hatte ich mit einem Angela Merkel verehrenden Verwandten einen lebhaften Disput über die Politik der Bundesregierung. Ich warf der deutschen Regierung Feigheit und Unfähigkeit vor, die Asylkrise selbst in den Griff zu kriegen, er pries indes das Verhandlungsgeschick der Kanzlerin, die darauf abziele, „eine gesamteuropäische Lösung“ zu finden, die „aus der Stärke der Gemeinschaft“ wirke. Mit der Türkei die Grenzsicherung gemeinsam zu regeln, sei das realpolitisch Gebotene – und doch erfolgreich.

Unbestreitbar ist es sinnvoll, mit der Türkei die Rücknahme illegaler Einwanderer zu vereinbaren, um den Versuch der Einreise unattraktiv zu machen. Bei allen künftigen Verhandlungen bleiben wir jedoch hochgradig erpreßbar, wenn wir nicht selbst den Beweis antreten, daß wir noch in der Lage und willens sind, notfalls, wenn nicht die europäischen, dann die nationalen Grenzen eigenständig zu sichern. Solange dies nicht der Fall ist, wird die Türkei als Schleusenwärter der Migration immer neue Zugeständnisse erwarten. Und wenn es das Löschen einer Erdoğan-Satire ist.

JF 14/16

Bundeskanzlerin Angela Merkel beim türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara Foto: picture alliance / dpa
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