Der Schriftsteller Dan Brown schrieb visonär über die NSA in seinem 1998 publizierten Roman „Digital Fortress“ (auf deutsch 2005: „Diabolus“ ). Das war drei Jahre vor dem 11. September 2001, in dessen Folge Washington Ermächtigungsgesetze erließ, um die Überwachung der eigenen Bürger, aber auch weltweit noch einmal auszuweiten. Brown schildert die NSA – vor all den aktuellen Enthüllungen – als paranoide Wahnsinnsorganisation, die mit einem Riesencomputer den gesamten Datenverkehr sammelt und selbst Verschlüssungsprogramme in Umlauf bringt, um jeden Code knacken zu können.
In der vergangenen Woche schlug nun der Fall eines BND- Mitarbeiters Wellen, der Unterlagen über den NSA-Untersuchungsausschuß des Bundestages gegen Bezahlung an amerikanische Dienste weitergegeben haben soll. Es muß ein ziemlicher Tolpatsch sein, wenn Informationen stimmen, er habe seine Angebote per E-Mail verschickt. Was dabei viel mehr erschreckt als die Tatsache, daß es Verräter in den Reihen des BND gibt (die gab es immer), ist die Naivität, mit der deutsche Politiker die Spionage der Amerikaner in Deutschland bewerten.
Die Kooperation zwischen Geheimdiensten innerhalb eines Verteidigungsbündnisses ist Alltag. Wir selbst erlebten im Falle des Ende 2012 in Syrien verschollenen JF-Reporters Billy Six, wie der Krisenstab des Auswärtigen Amtes über den BND durch Kontakte zu verbündeten Diensten nach Six fahndete.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Die aktuelle Debatte um NSA-Spionage und den BND- Doppelagenten bestätigt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Mit einer auf EKD-Kirchentagen erworbenen Weltsicht kann sich ein souveräner Staat nicht behaupten. Charles de Gaulle stellte einmal zeitlos gültig fest: „Staaten haben keine Freunde, sondern nur Interessen.“ Es sind sicherheitspolitische Erwägungen, die eine Zugehörigkeit zur Nato begründen und keine Sentimentalitäten. Es ist notwendig, unsere Verteidigungspolitik, Rüstungspolitik und die Arbeit unserer Geheimdienste dabei so auszurichten, daß wir uns im Extremfall auch alleine behaupten können. Verzichten wir auf eine souveräne Politik, dürfen wir uns nicht wundern, wenn „Partner“ mit uns umspringen wie mit Vasallen.
Der jetzt vor dem Untersuchungsausschuß im Bundestag gehörte Ex-NSA-Agent Tom Drake warnte übrigens schon vor zwei Jahren im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT vor dem enthemmten Überwachungsregime der amerikanischen Geheimdienste. Er warf der Bundesregierung vor, sich nicht für „die Rechte ihrer Bürger und die Souveränität des eigenen Landes“ einzusetzen. Es ist unsere Sache, die Überwachung innerhalb unserer Grenzen zu stoppen. Vielleicht trägt der Fall des BND-Doppelagenten dazu bei.
JF 29/14