Es wird kolportiert, der CDU-Spitzenkandidat David McAllister sei am Montag bei der Wahlanalyse im CDU-Präsidium des Konrad-Adenauer-Hauses in Tränen ausgebrochen. 344 Wählerstimmen hatten der CDU in einem Wahlkreis gefehlt, um doch noch gegen Rot-Grün die Nase vorne zu haben. Eine solche Zitterpartie, bei der sich ein zum Greifen naher Sieg in stundenlanger Zeitlupe in nichts auflöst, kann verstörender sein als eine klare Niederlage.
Groß ist jetzt der Jammer über Leihstimmen an eine totgesagte FDP, die mit geisterhaften zehn Prozent wie der Phönix aus der Asche emporstieg. Offensichtlich läßt die Bindungskraft innerhalb des „bürgerlichen“ Lagers immer mehr nach. Die Wähler fühlen sich aufgrund vieler Enttäuschungen weniger an eine Partei gebunden, sondern wählen taktischer.
Geht es den Niedersachsen zu gut, oder warum haben sie Rot-Grün gewählt? Mit ihrer Staatsfixierung und Begeisterung für immer neue Umverteilungs- und Umerziehungsprogramme haben SPD und Grüne im Auge des Wählers keinen Schrecken mehr angesichts „bürgerlicher“ Parteien, die seit Jahren in vorauseilendem Gehorsam bereits einen Großteil der linken Agenda übernommen haben.
Kleine, verlachte Minderheiten können den Ausschlag geben
Ob Energiewende, Klimahysterie, feministische Schnapsideen wie Frauenquote oder Gender Mainstreaming, ob Einheitsschule und Inklusion, ob „Kampf gegen Rechts“, Politische Korrektheit und Verharmlosung der Folgen von Masseneinwanderung und Islamisierung – wie beim Märchen vom Hasen und Igel versucht Schwarz-Gelb den rot-grünen Hasen dadurch auszutricksen, daß bei jedem Streitthema ausgerufen wird: „Ick bün all dor!“– den Gegner also noch links zu überholen.
Die seit 2009 anhaltenden Wahlniederlagen der CDU führen zur kuriosen Situation, daß die SPD, derzeit bei Umfragen im Bund nur bei 25 Prozent, jetzt in 13 von 16 Bundesländern in der Regierung sitzt, neun davon führt. Die Union führt nur noch sechs Landesregierungen. Der jetzt rot-grün dominierte Bundesrat kann die Politik der Bundesregierung lustvoll blockieren: Zur klammheimlichen Freude der CDU-Modernisierer dürfte so auch das Betreuungsgeld, eine jener letzten nach ewigem Gewürge verabschiedeten schwarz-gelben Heldentaten sang- und klanglos kassiert werden.
Die Niedersachsenwahl zeigt, daß auch kleine, gerne als quantité négligeable verlachte Minderheiten am Wahltag den Ausschlag geben können. Viele Bürger ziehen in der Euro-Krise leider den Kopf ein und scharen sich fatalistisch hinter der vermeintlich „eisernen Kanzlerin“. Doch 1,1 Prozent haben in Niedersachsen beispielsweise für die Euro-kritischen Freien Wähler gestimmt. Einige tausend Stimmen, die der stromlinienförmigen CDU am Schluß den K.o. verpaßten. Das kann im September auch der Kanzlerin blühen.
JF 5/13