Sonntagabend um 18 Uhr ist die Stille vorbei: jene Stille, die den Bundestagswahlkampf von allen vorangegangenen abhob. Wie eine Sphinx ruht die CDU-Chefin, Kanzlerin Merkel, bislang in sich und scheint sich kaum noch zu bewegen. Klare Aussagen? Nicht zu ermitteln.
Der 2005 gescheiterte Versuch, die damals amtierende rot-grüne Regierung mit einem wirtschaftsliberalen Reformwahlkampf zu attackieren, war an einer aggressiven Neid-Kampagne der SPD gescheitert. Vier Jahre war die SPD unter Merkel in eine Große Koalition eingebunden, trägt Mitverantwortung und kann nun schwer die Folgen der eigenen Politik angreifen.
So läßt Merkel müde SPD-Vorstöße (Steinmeier: vier Millionen neue Arbeitsplätze bis 2020) und Wahlkampfmätzchen (Müntefering: die Kanzlerin kann schon mal „ihre Koffer packen“) an sich abperlen.
„C“ nur noch aus nostalgischen Gründen im Namen
Wie es aussieht, ist die von Kohl kopierte, primär in sich ruhende Haltung von Merkel gerade jetzt die richtige Strategie – aus Sicht der CDU. Auf welchem gesellschaftspolitischen Gebiet soll denn auch diese Partei noch Kontrast zur Linken bieten, die das „C“ allenfalls noch aus nostalgischen Gründen im Namen führt und die gegen ihren ausdrücklichen Willen vom Spiegel lediglich neckisch als „konservativ“ tituliert wird?
Paragraph 218, Homoehe, Gender Mainstreaming, Multikulti, „Kampf gegen Rechts“, Bildungspolitik – die gesellschaftsverändernden Projekte werden mittlerweile unbesehen durchgewinkt.In der etablierten Politik ist ein bürgerlich-konservativer Gegenentwurf fast vollständig aufgelöst.
Weder Wende noch Rollback, sondern „Weiter so“: Materielle Restsubstanz einer „bürgerlichen“ Politik, die Deutschland bei Schwarz-Gelb ab Oktober blühen könnte – sie ist nicht mehr auszumachen. Es wäre insofern logischer, wenn die Große Koalition im Herbst fortgesetzt würde.
Deutlich erstarkte Linkspartei
Der Konsens, der Einheitsbrei, die Nicht-Debatte ist zum Sinnbild der Berliner Republik geworden. Und den Wählern dürstet nach der monatelangen Achterbahn einer Weltfinanz- und Wirtschaftskrise nicht mehr nach radikalen Veränderungen – auch wenn die Schulden explodieren.
Ab Sonntagabend könnte dennoch etwas Bewegung und Polarisierung in den Wahlkampf kommen: In Thüringen und im Saarland eröffnen sich nach letzten Umfragen durch eine deutlich erstarkte Linkspartei die Optionen auf rot-rote beziehungsweise rot-rot-grüne Koalitionen. Steinmeier hat solche Bündnisse bereits befürwortet. In Sachsen ist mit dem Wiedereinzug der NPD zu rechnen.
Nullaussagen am Rande der Verblödung
Das Konrad-Adenauer-Haus wird die verkorkste „Rote Socken“-Kampagne kaum wiederbeleben, die Warnung vor dem Kommunismus wird am dialektischen Charme der Dauer-Talkshowgäste Gysi und Lafontaine abprallen. Also werden sich alle auf die Gefahr von „rechts“ einigen. Der 70. Jahrestag des Kriegsausbruchs ist dafür ein prima Aufhänger.
Und so wird der Wahlkampf zum Schluß pendeln zwischen Nullaussagen à la Hape Kerkelings Horst Schlämmer („Isch kandidiere“) und Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“. In jedem Fall also „Lautstark gegen Rechts“ – und dies am Rande der Verblödung.
JF 36/09