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Erfahrungsbericht: 10 Jahre Kölner Silvesternacht – Wie Linke einen Linken rechts machten

Erfahrungsbericht: 10 Jahre Kölner Silvesternacht – Wie Linke einen Linken rechts machten

Erfahrungsbericht: 10 Jahre Kölner Silvesternacht – Wie Linke einen Linken rechts machten

Das Bild zeigt die Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015. Die Reaktionen der politischen Linken auf die Massenbelästigungen durch mehrheitlich arabische Asylbewerber, waren beschämend.
Das Bild zeigt die Kölner Domplatte in der Silvesternacht 2015. Die Reaktionen der politischen Linken auf die Massenbelästigungen durch mehrheitlich arabische Asylbewerber, waren beschämend.
Die Kölner Domplatte an Silvester 2015: Die beschämenden Reaktionen der politischen Linken waren eine Zäsur. Foto: picture alliance / dpa | Markus Boehm
Erfahrungsbericht
 

10 Jahre Kölner Silvesternacht – Wie Linke einen Linken rechts machten

Die Kölner Silvesternacht und der Umgang der politischen Linken mit den massenhaften Übergriffen durch vermeintlich Schutzsuchende haben viele zum Umdenken gebracht. JF-Redakteur Vincent Steinkohl ist einer von ihnen.
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Der Duden definiert ein „Dogma“ als „verbindliche, normative Glaubensaussage“. Es ist eine Aussage, deren Wahrheitsgehalt nicht angezweifelt werden darf – weil sie essentiell ist für das Fortbestehen einer Denkschule, einer politischen Ideologie oder einer Religion. Wer von Kindesbeinen an mit Dogmen erzogen wurde, hinterfragt diese meistens auch als Erwachsener nicht. Er ist oft genug so überzeugt von „seiner“ Sache, daß er den geistigen Käfig, in dem er sich befindet, nicht einmal bemerkt. So ging es mir im Spätsommer 2015.

Ich war damals 21 Jahre alt und links. Kein Steineschmeißer, auch kein Parteimitglied, eher ein Lifestyle-Linker, aber immerhin. Aufgewachsen in einem gutbürgerlichen Berliner Stadtteil, Abitur an einem Ostberliner Gymnasium. Linke Eltern, linke Lehrer, linke Freunde, für mich war das die Norm. Die Bilder der schweren Kämpfe in Syrien und die blutigen Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizisten in mehreren Ländern während des sogenannten „Arabischen Frühlings“ bewegten mich. Natürlich muß man diesen armen Seelen helfen, die sich da für ein Leben in Sicherheit und Frieden aufmachen nach Europa, dachte ich.

Natürlich hatte ich – wie die meisten in meinem Alter – schon schlechte Erfahrungen mit Türken und Arabern gemacht, vor allem auf dem Fußballplatz und im Freibad. Aber ich hatte mit anderen auch Freundschaft geschlossen. „Warum sollten wir als Gesellschaft das nicht schaffen? Wir sind doch ein reiches Land“, glaubte ich. Die damals schon warnenden Stimmen von AfD bis Pegida tat ich als naive Hinterwäldler ab – wahlweise auch als rassistische Demagogen.

Polizei und Rundfunk mauern

Dann kam die Kölner Silvesternacht. Mehr als 1.600 Anzeigen, etwa 500 davon wegen Sexualdelikten. Hunderte Opfer, die Täter fast ausschließlich aus der arabischen Welt. All das erfuhren wir verspätet und nur stückchenweise. Am liebsten wäre es dem medialen Establishment, aber auch den Sicherheitsbehörden wohl gewesen, den Fall komplett unter den Teppich zu kehren. Die erste Pressemitteilung der Polizei Köln am Neujahrsmorgen trug den zynischen Titel „Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich“. Mittlerweile ist sie gelöscht.

Gegen Mittag berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger unter Berufung auf eine Facebook-Gruppe, in der sich mehrere Opfer und Augenzeugen zu Wort gemeldet hatten, über die Verbrechen. Die JUNGE FREIHEIT kannte ich damals noch nicht. Auch nach der Veröffentlichung des Artikels „Sexuelle Belästigung in der Silvesternacht – Frauen im Kölner Hauptbahnhof massiv bedrängt“ dementierte eine Polizeisprecherin den Bericht und behauptete, in ihrem Dienst-Computer nur eine einzige angezeigte Sexualstraftat von diesem Tag gefunden zu haben. So ging das tagelang.

Am 4. Januar schaffte das Thema es in die 20-Uhr-Sendung der Tagesschau, beim ZDF ließ man sich sogar bis zum 5. Januar Zeit. „Irgendwie paßt das nicht so richtig zu einem Land, das von rassistischen Polizeistrukturen und ebenso ressentimentbeladenen Boulevardmedien befallen ist“, dachte ich.

Linke handeln beschämend

Und wie reagierten die Linken? Dieselben Leute, die keine zwei Jahre zuvor den damaligen FDP-Politiker Rainer Brüderle für den Spruch „Sie könnten ein Dirndl auch ausfüllen“ am liebsten öffentlich geteert und gefedert hätten? Schockierend defensiv, schockierend selbstgerecht.

Nur wenige Tage nach den Übergriffen beginnt eine Kampagne namens „#ausnahmslos“. X – damals Twitter – ist voll davon. Die Verfasser lassen uns wissen: „Es ist für alle schädlich, wenn feministische Anliegen von Populist_innen instrumentalisiert werden, um gegen einzelne Bevölkerungsgruppen zu hetzen, wie das aktuell in der Debatte um die Silvesternacht getan wird.“ Zu den 300 Erstunterzeichnern gehören die damalige Familienministerin Manuela Schwesig (SPD), die Linkspartei-Politikerin Katja Kipping und Grünen-Ikone Claudia Roth.

Im ZDF-Morgenmagazin relativiert die linke Autorin und „#ausnahmslos“-Mitinitiatorin Anne Wizorek das Geschehene damit, daß Sexualgewalt ein gesamtgesellschaftliches Phänomen sei – garniert mit ausgedachten Zahlen zu sexuellen Übergriffen beim Münchner Oktoberfest.

Hier läuft etwas gewaltig schief

Das beschämte Schweigen wurde zum wütenden Gebrüll. Den Rechten seien die Frauen völlig egal. Sie mißbrauchten die Übergriffe für die eigene rassistische Agenda, so die neu aufgetischte Erzählung. Wenn ich im damaligen Freundes- und Kommilitonenkreis vorsichtig anmerkte, daß so etwas früher nicht passiert sei und daß es vielleicht ein Fehler war, unkontrolliert Millionen Menschen aus den frauenfeindlichsten und gefährlichsten Ländern der Welt aufzunehmen, bekam ich hochgezogene Augenbrauen zu sehen und die Frage zu hören, ob ich „jetzt auch einer von denen“ geworden sei.

Weil mich die immer gleichen „Arschlöcher gibt es halt überall“- und „Die meisten Flüchtlinge sind nicht kriminell“-Phrasen meines Umfelds zunehmend frustrierten, begab ich mich auf die Suche nach anderen Antworten – und wurde fündig. Kritische YouTuber, die mit sorgsam zusammengestellten Quellenangaben über islamische Traditionen und Rechtsfragen sprachen, Interviews des Islamkritikers Hamed Abdel-Samad und „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin.

Daß von den zwei nordafrikanischen Einwanderern, die meine Mutter im Herbst 2015 bei sich zuhause aufgenommen hatte, einer schnell anfing, wegen Handy-Diebstahls in Konflikt mit dem Gesetz zu geraten, und fortan bei ihr nicht mehr willkommen war, tat sein Übriges. Für mich war klar: Hier läuft etwas gewaltig schief.

Unangenehme Fragen tun sich auf

Das war keine leichte Erkenntnis. Schließich lebte ich seit klein auf mit dem Dogma, daß „links“ ein Synonym für „gut“ sei. Ich kannte nichts anderes. Konservative beziehungsweise Rechte waren für mich irgendwas zwischen grauhaarigen, humorbefreiten Oberstudienräten und kahlgeschorenen Baseballschläger-Idioten. Beides nicht gerade sexy. So lebte ich noch einige Monate mit der wohlfeilen Ausflucht, ein Linker zu sein – nur in diesem einen Thema eben nicht.

Doch die naheliegende Frage verfolgte mich: „Wenn ich über den Islam und die aktuelle Einwanderung belogen wurde, über was noch?“ Sind Deutschtürken wirklich nur deshalb öfter arbeitslos und kriminell, weil die Gesellschaft bei der Integration versagt hat? Für Vietnamesen und Rußlanddeutsche wurde doch auch kein roter Teppich ausgerollt? Warum gab es nie einen Sozialismus, der auf dem Willen der Mehrheit beruhte und ohne Staatsterror auskam? Warum hatte ich in der Schule viel Brecht und keinen Jünger?

Es ist gut so, wie es ist

Seitdem sind zehn Jahre vergangen. Es fühlt sich gut an, kein Linker mehr zu sein. Einige Freunde gingen, neue kamen dazu. „Rechts wird man nicht, wenn man den Rechten zuhört, sondern wenn man den Linken zuhört“, sagte der kolumbianische Philosoph Nicolás Gómez Dávila. Wie recht er hatte.

Es ist konstruktiver, die Welt so zu sehen, wie sie ist – statt so, wie man sie gerne hätte. Es ist gesund, von Menschen umgeben zu sein, vor denen man auch mal „was Gewagtes“ sagen kann, ohne mit Geschrei und Drama rechnen zu müssen. Frei denken, sprechen und schreiben zu können. Ohne Scheuklappen, ohne Dogmen.

Die Kölner Domplatte an Silvester 2015: Die beschämenden Reaktionen der politischen Linken waren eine Zäsur. Foto: picture alliance / dpa | Markus Boehm
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