Die Ministerpräsidenten versetzten dem System aus halbstaatlichen Rundfunkanstalten scheinbar einen herben Schlag, der es in die Knie gehen läßt. So jedenfalls die in den Mainstreammedien überwiegend verbreitete Einschätzung des „Reformstaatsvertrags“.
Auf ihrer Jahrestagung in Leipzig hatten sich die Länderchefs als letztem von 19 Tagesordnungspunkten mit einer Änderung des Rundfunks befaßt. Dieser würde ARD und Co. zum Sparen zwingen: weniger Hörfunk- und TV-Sender, weniger Netzpräsenz, niedrigere Gehälter und mehr Kontrolle und Kooperation. Die Ausgaben für Sportberichterstattung werden gedeckelt. Kaum ein Stein bleibt auf dem anderen. Bild sprach von einem „Kahlschlag“. Aufgebrachte GEZ-Lobbyisten wetterten gar gegen den Populismus der Regierungschefs. Die „Tagesschau“-Redaktion schwärzte eigene Beiträge bei Instagram – aus Protest gegen geplante neue Regeln zugunsten der Presseverlage.
Nur: Die ganze Aufregung wirkte inszeniert. So groß oder neu sind die Reformvorhaben nicht. Einzig die Regelung zur Sportberichterstattung ist nun mit neuen Zahlen unterfüttert.
Größere Zusammenlegungen bleiben aus
Die Ministerpräsidenten machten daraus eine PR-Show. Union und SPD spielten guter Cop, böser Cop. Markus Söder („Alle müssen sparen – die Sender auch“) etwa forderte ein Ende von Quizshows und Krimis. Berlins Bürgermeister Kai Wegner verlangte, daß sich die Sender „digitaler, schlanker und moderner aufstellen“. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer wurde ins ZDF-Heute-Journal geschickt, wo er grundsätzliche Kritik vorbringen durfte: „Die Qualität des Journalismus muß sich deutlich erhöhen.“ Auf der anderen Seite übernahmen SPD-Ministerpräsidenten die Rolle des Verteidigers der Anstalten. Andreas Bovenschulte (Bremen) beteuerte, sich für eine Beitragserhöhung eingesetzt zu haben („leider ohne Erfolg“). Zudem unterstrichen er und Anke Rehlinger (Saarland), daß die Existenz ihrer kleinen Sendeanstalten, also Radio Bremens und des SR, für sie unverhandelbar sei.
Zusammenlegungen von Rundfunkanstalten im großen Stil sind also nicht vorgesehen. Kleinere Streichungen schon. Von den vier Spartensendern aus dem Genre Information wie ARD-Alpha sollen nur zwei bleiben. ZDF neo und One sollen zusammengelegt werden. Eine diskutierte Fusion von Arte und 3Sat ist offenbar vom Tisch. Auch der skandalträchtige Jugendsender Funk, der sich dieser Tage mit neuen Korruptionsvorwürfen konfrontiert sieht, besteht fort. Macht unterm Strich den Wegfall von genau drei Nischensendern im Bereich Fernsehen. Das ist eher ein Reförmchen als ein großer Wurf.
Und beim Radio? Von 69 Sendern sollen 53 erhalten bleiben. 16 wegfallende Hörfunkwellen wurden vom Handelsblatt reißerisch in einen Rückgang von „fast dreißig Prozent“ übersetzt. In Wahrheit entspricht dieser Rückgang nur 23 Prozent. Dieser Prozentsatz steht auch explizit in einem Staatsvertragsentwurf, der der JF vorliegt.
GEZ-Erhöhung bald per Verordnung?
Das ist kaum spürbar. Der Skandalsender RBB dürfte nach den neuen Regeln sechs seiner sieben Wellen behalten und würde wohl den an der Wahrnehmbarkeitsgrenze dahinsiechendenden „interkulturellen“ Sender Cosmo opfern. Echte Einsparungen lassen sich damit vermutlich nur schwer erreichen. Dasselbe gilt für die Gehälter, die an den öffentlichen Dienst angepaßt werden sollen. Dies gilt jedoch nur für die Zulagen der außertariflich beschäftigten Topmanager und nicht für die gesamte Belegschaft. Das Einsparpotential ist damit überschaubar.
Es sind aber gerade die angeblichen Einsparpotentiale, auf die die Befürworter der Rundfunkreform nun ihre ganze Hoffnung setzen. Denn: Die bereits fest geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,94 Euro wurde durch die Ministerpräsidenten ausgesetzt. Wie die FAZ unter Berufung auf Teilnehmer berichtete, sollen zukünftig nicht mehr Landtage über die Abgabe entscheiden. Vielmehr wollen die Ministerpräsidenten im Wege einer Verordnung den Preis für die Gebühr festsetzen. Nur falls keine Einstimmigkeit im Kreise der 16 Länderchefs bestehe, solle es das „normale“ Verfahren geben, bei dem die Landtage einen Beschluß der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) umzusetzen haben.
Im Klartext heißt das, daß der Prozeß der Gebührenerhöhung den gewählten Volksvertretern entzogen würde. Im kommenden Jahr soll erstmals auf diesem Weg die Höhe des Rundfunkbeitrags ab 2027 bestimmt werden. Der medienpolitische Sprecher der AfD im rheinland-pfälzischen Landtag Joachim Paul klagt darüber, daß die Länderparlamente weiter entmachtet werden sollen. Er sagt zur JF: „Das ist eine Gebührenerhöhung par ordre du mufti, nur daß da gleich 16 Muftis sitzen.“
Politische Debatte über ARD und ZDF geht weiter
Ein weiterer Baustein der Rundfunkreform ist der Medienrat. Dieses neue sechsköpfige Gremium soll die Einhaltung von Senderregeln begleiten. Zum Beispiel jene, daß die Sender ausgewogen berichten müssen, was bisher von den Chefs und Rundfunkräten eingefordert werden müßte. Diese kommen ihrer Kontrollaufgabe – wie zuletzt der RBB-Skandal gezeigt hat – jedoch oft nur bedingt nach.
Jetzt sollen also unabhängige Sachverständige regelmäßige Berichte dazu anfertigen. Wie werden diese gewählt? Vier sollen von den Fernseh- beziehungsweise Rundfunkräten der Sender bestimmt werden und zwei von den Regierungschefs. Schon diese Quote stellt einen Verstoß gegen den Geist des ZDF-Urteils des Bundesverfassungsgerichts von 2014 dar, wonach maximal ein Viertel der Angehörigen von Kontrollgremien im öffentlich-rechtlichen Rundfunk „staatsnah“ sein darf. Zudem ist äußerst fraglich, ob die Rundfunkräte die Richtigen sind, wenn es gilt, andere Kontrolleure auszuwählen.
All diese Maßnahmen werden kaum Einsparungen mit sich bringen. Die politische Schlagseite der Sender wird sich nicht wesentlich beseitigen lassen. Die politische Debatte über Größe und Ausrichtung des teuersten Rundfunkapparats der Welt wird weitergehen.
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Ronald Gläser ist Vizechef der Berliner AfD-Fraktion und Medienexperte.