Der Notruf kam aus dem Krankenhaus: Es „besteht die Gefahr, daß die Behandlung neu ankommender Patienten aus der Ukraine schon in Kürze nicht mehr gewährleistet werden kann“. Abgesetzt wurde der Notruf von Professor Dr. Steffen Ruchholtz, dem Geschäftsführenden Direktor des Zentrums für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Gießen und Marburg und stellvertretenden Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU). In einem gemeinsamen Appell fordern mehrere Kliniken und Reha-Einrichtungen von der Bundesregierung eine Kostenbeteiligung für die besonders teure Behandlung von Kriegsverletzten aus der Ukraine.
Doch die zeigt sich unbeeindruckt und kennt das Problem nicht einmal: „Aufgrund der nur in wenigen Einzelfällen bekannt gewordenen Probleme kann vor dem Hintergrund der bislang über 900 aufgenommenen Patienten davon ausgegangen werden, daß die Aufnahme, Versorgung und Betreuung zufriedenstellend gewährleistet wird“, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Parlamentsanfrage der Unionsfraktion (Drucksache 20/9536).
Dabei ist die Lage dramatisch: 74 Prozent der von der DGOU befragten Kliniken gaben an, nicht genug Geld für die Behandlungen zu bekommen. Für die Bezahlung sind die Krankenkassen oder Sozialhilfeträger zuständig. Die Bundesregierung hält sich raus, obwohl sie die Kriegsverletzten (es handelt sich um Soldaten und Zivilisten) einfliegen läßt und dafür im Jahr 2023 rund 800.000 Euro ausgab. Doch sind die Verletzten hier, interessiert sich die Regierung trotz aller Solidaritätsbekundungen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und seiner Kabinettsmitglieder nicht mehr für die Kranken.
Notruf: Schwerverletzt und mit multiresistenten Bakterien befallen
Deren Behandlung ist jedoch besonders teuer: „Neben der Behandlungsdauer sind es vor allem die Infektionen mit multiresistenten Keimen und die mehrfachen Operationen, die die Therapie sehr kostenintensiv machen“, sagt Prof. Dr. Matthias Münzberg, Geschäftsführer Medizin der BG Unfallklinik Frankfurt am Main. Viele der im Krieg verletzten Soldaten kommen schon mit Komplikationen nach einer Vorbehandlung in der Ukraine in deutschen Kliniken an. Sie benötigen Wochen und Monate, in denen ihre schweren Verletzungen schrittweise versorgt werden. Doch dafür ist das deutsche Gesundheitssystem nicht ausgelegt. Das Finanzierungssystem der „diagnosebezogenen Fallgruppen“ kennt keine langen Verweildauern in Krankenhäusern mehr.
Nach der Krankenhausbehandlung kommt das nächste Problem: „Eine Reha nach einer komplizierten Behandlung ist ausgesprochen wichtig für den Heilungsverlauf. Für viele der Kliniken stellt die bereitwillige Aufnahme von Patienten aus der Ukraine jedoch eine zunehmende Schwierigkeit dar und ist oft mittlerweile finanziell nicht mehr leistbar“, so Professor Dr. Dietmar Pennig, Ex-Chefarzt der Klinik für Unfall- und Wiederherstellungschirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am St. Vinzenz-Hospital der Universität Köln.
Unter Berufung auf Entscheider in Kliniken heißt es in einer vom Informationsdienst der Wissenschaft verbreiteten Erklärung, „daß ohne die rasche finanzielle Absicherung eine Behandlung neu ankommender Patienten aus der Ukraine schon in Kürze nicht mehr geleistet werden kann“. Solidarität mit der Ukraine sieht anders aus, als hilfsbereite Ärzte, Kliniken und Reha-Einrichtungen finanziell im Regen stehen zu lassen.