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Rolle der FDP in der Ampelkoalition: Unter Lindners Regie

Rolle der FDP in der Ampelkoalition: Unter Lindners Regie

Rolle der FDP in der Ampelkoalition: Unter Lindners Regie

Finanzminister Christian Lindner auf dem Parteitag der FDP
Finanzminister Christian Lindner auf dem Parteitag der FDP
Finanzminister Christian Lindner auf dem Parteitag der FDP: Er ist Teil einer Inszenierung Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder
Rolle der FDP in der Ampelkoalition
 

Unter Lindners Regie

Lindners Aussage, die FDP wolle ein „nicht-linkes“ Deutschland bewahren, ist Teil einer Inszenierung. Tatsächlich betreibt die Partei vor allem in der Innen- und Gesellschaftspolitik das woke Geschäft der Grünen und der SPD, überholt sie zum Teil sogar noch. Ein Kommentar von Gerhard Papke.
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Politiker inszenieren sich heute immer mehr. So sichern sie sich die notwendige mediale Berichterstattung und die Wahrnehmung durch die Bürger. Häufig zählt der Schein längst mehr als das Sein. Was in der aufgehübschten Verpackung steckt, sollen die Wähler am besten durch den Beipackzettel wahrnehmen. Dort wird ihnen dann erklärt, was der Inhalt bedeutet.

Viele Journalisten machen allzu gerne beim Erklären mit. Die „Einordnung“ ist ja auch viel interessanter als die alte journalistische Maxime „Sagen, was ist“. Schließlich ergibt sich so die Möglichkeit, die eigene politische Haltung zum Blickwinkel der Berichterstattung zu machen.

Parteitage und Berichte über Parteitage funktionieren genau nach diesem Muster. Nur idealistische Amateure meinen, „die Basis“ würde dort ihrer Führung die Meinung geigen. Die Delegierten auf Parteitagen sind in ihrer übergroßen Mehrheit Teil des hauptamtlichen Establishments: Bundes- und Landtagsabgeordnete, ihre Mitarbeiter und die ihrer Fraktionen, Kommunalpolitiker, die mit den Abgeordneten eng vernetzt sind, Parteimitglieder, die in den Behörden Karriere gemacht haben. Ihnen allen liegt nichts ferner als ein Aufstand gegen die Parteiführung, solange der eigene Job nicht in akuter Gefahr oder bereits verschwunden ist.

Das alles ist kein Zufall

Schauen wir uns vor diesem Hintergrund also den jüngsten FDP-Bundesparteitag an: Christian Lindner ist der unumschränkte Herrscher der FDP. Das ist kein Zufall. Er hat gezielt darauf hingearbeitet und dafür sogar Jugendfreunde wie Johannes Vogel und Marco Buschmann mitgebracht. Sie und die meisten in der Partei- und Fraktionsführung haben mit der früheren, bürgerlichen FDP nicht mehr viel am Hut. Die Ampel mit SPD und Grünen war für sie keine schwer erträgliche Zumutung, erzwungen aus staatspolitischer Notwendigkeit, sondern in Wahrheit ein strategisches Ziel. Sie wollen ein anderes Deutschland, gar nicht unähnlich dem, was die Grünen anstreben, auch wenn manche Wege dorthin umstritten sind. Deshalb wird Lindner die Ampelkoalition niemals platzen lassen. Niemand sollte sich dieser Illusion hingeben.

Lindners Aussage auf dem Parteitag, die FDP wolle ein „nicht-linkes“ Deutschland bewahren, ist Teil der Inszenierung. Natürlich: die FDP hat bisher Steuererhöhungen verhindert, und ein allgemeines Tempolimit gibt es auch noch nicht. Sie steht bei der rot-grünen Staatsverschuldung zumindest auf der Bremse. Doch auch die FDP hat den „Kampf gegen den Klimawandel“ zum unantastbaren Ober-Ziel deutscher Politik erklärt: Zweifel daran, ob nationale Alleingänge sinnvoll sind, Fragen nach den verheerenden Konsequenzen einer destabilisierten und unbezahlbaren Energieversorgung, werden allesamt weichgespült. Die Karawane zieht weiter.

In der Innen- und Gesellschaftspolitik ist die Annäherung der FDP an Grüne und SPD noch offensichtlicher. Ihre Vorschläge für eine schnellere Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft gehen über die Pläne der Grünen teilweise noch hinaus. Widerstand gegen die Migrationspolitik von Nancy Faeser? Fehlanzeige. Justizminister Buschmann ist der Architekt des „Selbstbestimmungsgesetzes“, das die Bürger zwingen soll, biologische Männer als Frauen anzureden. Das ist ein fundamentaler Angriff auf die Errungenschaften der europäischen Aufklärung und die Überzeugung von der Kraft menschlicher Vernunft. Mit anderen Worten: Es ist ein fundamentaler Angriff auf den klassischen Liberalismus.

Dieser klassische Liberalismus, das Gegenteil von Beliebigkeit, wird von vielen in der FDP immer noch verteidigt. Etwa von Frank Schäffler, dem Bundestagsabgeordneten aus Ostwestfalen-Lippe, der sich seine Empörung über die geradezu totalitäre Energieideologie der Grünen mit einem Dringlichkeitsantrag zum Bundesparteitag von der Seele schrieb. Was die Ampelregierung mit dem Heizungsverbot plant, muß jeden Verteidiger von Freiheit und Marktwirtschaft auf den Plan rufen. Auf die aktuelle FDP-Führung sollte man dabei allerdings nicht wetten. Auch wenn der FDP-Parteitag Schäfflers Antrag nahezu einstimmig gebilligt hat.

Teil von Lindners Inszenierung

Für Lindner wäre es ein leichtes gewesen, Habecks Anschlag auf das Wohneigentum in Deutschland im Keim zu ersticken. Ohne Plazet der FDP-Minister wäre Habecks Gesetzentwurf noch nicht einmal ins Kabinett gekommen. Aber sie haben dort sogar zugestimmt. Ihre Protokollnotiz, mit der sie auf nötige Änderungen im parlamentarischen Verfahren verweisen, ist im Grunde genommen ein politisches Armutszeugnis. Diese Vorgehensweise, genau wie Lindners Ampel-freundliche Parteitagsrede, signalisieren Grünen und SPD vor allem eins: ihr könnt euch auf uns verlassen. Wir stehen fest zu dieser Koalition. Der Antrag Schäfflers wäre ohne Duldung Lindners auf dem Parteitag niemals durchgekommen. Er ist für den FDP-Vorsitzenden Teil der Inszenierung.

So kann man nicht nur den Koalitionspartnern bedeuten, daß man jetzt eigene Erfolgsmeldungen braucht, sondern der eigenen Parteibasis zugleich den Eindruck fester Überzeugungstreue vermitteln. Das ist dringend nötig. Viele FDP-Mitglieder stehen der Politik ihrer Partei in der Ampel ähnlich konsterniert gegenüber wie die meisten ihrer bisherigen Wähler. Die Reihe verheerender Niederlagen bei den zurückliegenden Landtagswahlen kommt nicht von ungefähr.

Lindner setzt auf die publizistische Unterstützung der vielen Ampel-Freunde in den deutschen Medien. Diese wissen, daß Grün-Rot nur mit der FDP eine Überlebenschance hat. Solange die FDP dieses Bündnis nicht ernsthaft in Frage stellt, werden sie daher weiter freundlich mit Lindner umgehen. Je schlechter die FDP bei den kommenden Wahlen abschneidet, desto lauter wird Lindners Kampf um „FDP pur“ von den linksliberalen Sendern der Republik besungen werden. Aber für die Menschen in Deutschland wird letztlich nur das konkrete Ergebnis zählen: Wenn Habecks Verbot neuer Öl- und Gasheizungen und ihr endgültiges Aus ab 2045 mit den Stimmen der FDP vom Bundestag verabschiedet wird, dann hat sie vor den Grünen kapituliert. Wer sollte sie dann noch wählen?

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Dr. Gerhard Papke war Vizepräsident des Landtags und Vorsitzender der FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen.

JF 18/23

Finanzminister Christian Lindner auf dem Parteitag der FDP: Er ist Teil einer Inszenierung Foto: picture alliance/dpa | Christoph Soeder
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