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Gemeinsame Identität: Preußen als Epizentrum des Kulturkriegs

Gemeinsame Identität: Preußen als Epizentrum des Kulturkriegs

Gemeinsame Identität: Preußen als Epizentrum des Kulturkriegs

Rainer Robra (l-r, CDU), Kulturminister von Sachsen-Anhalt, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin, und Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nehmen an einer Pressekonferenz des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Vorstellung der Eckpunkte für die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) teil. Mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz steht Deutschlands international wichtigste Kulturinstitution vor grundlegenden Reformen.Die Kulturstaatsministerin stört sich am Begriff „Preußen“.
Rainer Robra (l-r, CDU), Kulturminister von Sachsen-Anhalt, Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen), Kulturstaatsministerin, und Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nehmen an einer Pressekonferenz des Stiftungsrats der Stiftung Preußischer Kulturbesitz zur Vorstellung der Eckpunkte für die Reform der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) teil. Mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz steht Deutschlands international wichtigste Kulturinstitution vor grundlegenden Reformen.Die Kulturstaatsministerin stört sich am Begriff „Preußen“.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) stört sich am Begriff „Preußen“ Foto: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska
Gemeinsame Identität
 

Preußen als Epizentrum des Kulturkriegs

Die politische Linke, allen voran Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), treibt den Umbau des Landes weiter voran. Inzwischen ist auch „Preußen“ als Namensgeber der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nicht mehr gern gesehen. Historiker Karlheinz Weißmann ordnet die Faktenlage ein.
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Die Kulturstaatsministerin möchte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) das „Preußische“ nehmen. Sie nennt Argumente. Überzeugend sind sie nicht. Denn, was Claudia Roth zur Bürokratielast der SPK vorträgt, über das reiche Erbe des anderen, nichtpreußischen Deutschlands und die Notwendigkeit, in die Zukunft, nicht auf die Vergangenheit, und mithin die „Vielfältigkeit“ zu blicken, die da kommt, – das alles soll nur verschleiern, worum es tatsächlich geht.

Worum es auch schon bei ihrem Vorstoß gegen die Inschrift an der Kuppel des Berliner Schlosses oder bei dem Bildersturm ihrer Parteifreundin Annalena Baerbock ging, die das Bismarck-Zimmer des Auswärtigen Amtes umbenannt und umdekoriert hat, oder worum es bei den permanenten Vorstößen gegen alles geht, was irgendwie mit unserer Militärtradition zu tun hat, getragen von der linken Basis in den Städten und Kommunen.

Gemeint ist die Bereitschaft, jenen Affekt zur Wirkung zu bringen, den Claudia Roth mit ihrer Generation teilt und den die Tonangeber seit Jahrzehnten an die Jüngeren weitergegeben haben. Wobei die Polemik gegen Pflichtgefühl und Sekundärtugenden, mit denen „man auch ein KZ leiten kann“ (Oskar Lafontaine), gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche im Herzen Potsdams und die Restitutionsansprüche des Hauses Hohenzollern, nicht davon ablenken sollten, daß auf Grundsätzliches gezielt wird: das Preußische Prinzip, jene Überzeugung von der Notwendigkeit staatlichen In-Form-Seins, das dieser Republik so fremd ist wie kaum etwas anderes.

Daran hat auch der Ausruf der „Zeitenwende“ nichts geändert. Vielmehr entfaltet der antipreußische Affekt erst jetzt seine volle Wirkung. Denn es gibt keine hemmenden Kräfte mehr und keine Reserven, die man im entscheidenden, also im Ernstfall nutzen kann. Einer, der diese Entwicklung und ihre fatalen Folgen früh abgesehen hat, war der Literaturwissenschaftler Karl Heinz Bohrer. Achtundsechziger und Ernst-Jünger-Exeget, Jakobiner-Versteher und lieber in Paris oder London als in der Heimat, wo es kein „Spree-Athen“ mehr gab. 

Bohrer litt am Untergang Preußens

Eine problematische Figur, aber auch ein Mann von außerordentlich präziser Beobachtungsgabe. In seinen Kommentaren zum Zeitgeschehen konnte Bohrer mit unerwarteter Tendenz und ungeheurer Verachtung über die „winselnde Harmlosigkeit“ der Bundesdeutschen sprechen, über ihr „Nachkriegs-Gartenzwerg-Bewußtsein“, passend zu einem Volk von Krämerseelen; „so übersättigt, verängstigt, eingekauft ist diese westdeutsche Händlernation, daß sie nur andere für sich kämpfen lassen könnte oder es bräche eine Massenhysterie aus: die Staatskrise.

Da sie das nicht offen zugeben kann, tabuisiert sie den Kampf überhaupt oder rationalisiert sie ihre Angst davor mit pragmatischer Vernunft, das heißt mit wirtschaftlichen Zwängen“.

Wodurch Bohrer Bezug auf ein anderes Tabu nahm: die „Ideen von 1914“ und Max Schelers Typologie der „Händler“ und „Helden“, die deutsche Überzeugung, etwas Besseres zu haben, als Gleichmacherei und Guillotine, und die deutsche Verachtung für die materielle Fixierung des Westens und den Stolz auf die eigene Kriegstüchtigkeit. Aber vor allem wollte er klarstellen, daß mit dem „Ethos der Mainzelmännchen“ kein Staat zu machen ist, weil jede staatliche Existenz ein Maß an Härte und Einsicht in die Notwendigkeit von Härte voraussetzt, das diesem Ethos fremd ist und bleiben muß.

Bohrer litt am Untergang Preußens. Aber es war ein anderes Leiden als das der übriggebliebenen „Potsdamdeutschen“ (Barbro Eberan), die nach 1945 die Ehre Preußens verteidigten, den Verlust Ostdeutschlands betrauerten und die eine oder andere Nostalgie pflegten. Bohrer dachte nicht an eine Restauration, sondern wollte Lehren der Geschichte wieder Geltung verschaffen, die zuerst in der „Rheinbundrepublik“ (Walther Rathenau / Rudolf Augstein) und dann im Traumland des „Posthistoire“ systematisch verdrängt wurden.

Lehren, die klarstellen, daß Geographie Schicksal ist und politische Konsequenzen fordert, und daß es kein Ende der Geschichte gibt, oder doch nur für die, die sich mit ihrer Fellachenexistenz abgefunden haben. 

Das Volk als Masse von Entwurzelten

Er durfte die Hoffnung haben, daß er damit noch Gehör finden würde. Sie erwies sich als Illusion. Aber Bohrers Lage war immerhin komfortabler als unsere, die wir tagtäglich mit der Dysfunktion des Staates konfrontiert werden, der seine Armee nicht rüsten, seine Grenzen nicht schließen, seine Bürger nicht schützen und seine Ämter nicht arbeiten lassen kann und nicht einmal weiß, wie er die Pünktlichkeit der Züge und die Zustellung der Briefe gewährleisten soll, und der mit einer Führung geschlagen ist, der man keine besseren Einsichten zutrauen darf.

Denn in ihren Reihen nehmen Männer und Frauen Einfluß, die weder Weite des Horizonts noch Respekt vor der Überlieferung besitzen, denen es an Takt ebenso fehlt wie an einer realistischen Einschätzung ihres eigenen – minderen – Ranges.

Man sollte die Ankündigung Claudia Roths darum im Kontext des Kulturkrieges verstehen, mit dem die „Koalition des Fortschritts“ das Land überzieht. Das heißt, es handelt sich nicht um die übliche linke Symbolpolitik, die „mit moralischem Furor Geschichtsreinigung“ (Wolfgang Thierse) betreibt, oder die übliche linke Ignoranz gegenüber dem, „was Preußen auch den Rest der Welt lehren kann“ (Alan Posener). Vielmehr zielt man auf einen Endsieg ab, der das Land so verändern wird, daß es nicht mehr wiederzuerkennen ist, das Volk in eine Masse von Entwurzelten verwandelt und jene wichtige Ressource gemeinsamer Identität zu vernichtet, die in der Erinnerung an die Größe der Vergangenheit besteht.

Viel Grund zur Hoffnung, diesen Feldzug scheitern zu sehen, gibt es nicht. Nur einen vielleicht: die Hast der Verantwortlichen. Darin könnte ein Hinweis auf die Sorge liegen, es möchte jemand wie Friedrich, von feindlicher Übermacht eingeschlossen, die letzten Mannschaften in einem Lager von Bunzelwitz verschanzen und von dort den Widerstand organisieren.

JF 02/23

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) stört sich am Begriff „Preußen“ Foto: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska
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